Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Gesellschafter-Geschäftsführer. Rechtsmacht. Gesellschaftsvertrag. Stimmbindungsvereinbarung. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und Selbstständigkeit eines Gesellschaftergeschäftsführers ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Vertragsparteien getroffenen Vereinbarungen auszugehen und im weiteren zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen.

2. Entscheidend für die statusrechtliche Beurteilung eines Minderheitsgesellschaftergeschäftsführers ist der sich aus seiner Stellung ergebende Einfluss auf die Gesellschaft.

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 16. August 2017 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob der Kläger in seiner Funktion als Gesellschafter-Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1. in der Zeit vom 5. Oktober 2011 bis zum 7. Mai 2015 versicherungspflichtig beschäftigt war.

Die Beigeladene zu 1. wurde 1990 gegründet. Gegenstände des Unternehmens sind die Planung, Entwicklung, Projektierung, Realisierung, der Vertrieb, die Installation und Wartung von Automatisierungssystemen, -anlagen und -ausrüstungen einschließlich Beratung und Schulung zu Hard- und Softwareprodukten insbesondere von Echtzeitsystemen im In- und Ausland. Das Stammkapital beträgt 92.500,00 EUR und wurde ursprünglich je zur Hälfte von C. B. und M. T. gehalten. Mit notarieller Urkunde vom 31. August 2009 boten diese als Verkäufer der I... I.- und B. Gesellschaft mbH & Co. KG mit Sitz in H. (Kommanditist dieser KG ist der Kläger mit einer Einlage von 1,00 EUR), diese vertreten durch die persönlich haftende Gesellschafterin I... I.-, B.- und V. Gesellschaft mbH mit Sitz in H., diese vertreten durch deren einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer, den Kläger (Käufer), einen Geschäftsanteilsabtretungsvertrag an. Der Nr. 12... der Urkundenrolle für 2009 der Notarin R. W. mit Amtssitz in L. E. ist unter B II. (Teilung, Verkauf und Abtretung) Folgendes zu entnehmen:

"Der Gesellschafter C. B. teilt zunächst seinen Geschäftsanteil im Nennbetrag von 46.250,00 EUR (Nummer 3) in zwei Geschäftsanteile im Nennbetrag von 23.500,00 EUR (Nummer 5) und 22.750,00 EUR (Nummer 6).

Der Gesellschafter M. T. teilt zunächst seinen Geschäftsanteil im Nennbetrag von 37.000,00 EUR (Nummer 2) in zwei Geschäftsanteile im Nennbetrag von 23.500,00 EUR (Nummer 7) und 13.500,00 EUR (Nummer 8).

Sodann verkauft der Verkäufer C. B. seinen neugebildeten Geschäftsanteil im Nennbetrag von 23.500,00 EUR (Nummer 5) mit sofortiger dinglicher Wirkung an den Käufer und tritt diesen Geschäftsanteil an den Käufer ab. Der Käufer nimmt die Abtretung an.

Der Verkäufer M. T. verkauft seinen neugebildeten Geschäftsanteil im Nennbetrag vom 23.500,00 EUR (Nummer 7) mit sofortiger dinglicher Wirkung an den Käufer und tritt diesen Geschäftsanteil an den Käufer ab. Der Käufer nimmt die Abtretung an."

Ebenfalls am 31. August 2009 schlossen die damaligen Gesellschafter C. B. und M. T. mit ausdrücklicher Zustimmung der I... GmbH & Co. KG eine sogenannte Pool-Vereinbarung. Diese hatte folgenden Inhalt:

"§ 1   

Gegenstand der nachstehenden Vereinbarung sind die gegenwärtigen und künftigen Geschäftsanteile und Beteiligungen ihrer Mitglieder an der ... Gesellschaft für computergestützte Automation mbH.

Zweck der Vereinbarung ist das Sicherstellen einer einheitlichen Rechtsausübung aus den Beteiligungen der Vertragsbeteiligten und die Erhaltung des Einflusses der einzelnen Gesellschafter. Diese Gemeinschaft ist insoweit eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts ohne Gesamthandsvermögen.

§ 2     

Mitglieder sind die o.g. vertragsschließenden Gesellschafter, wobei die I... GmbH & Co. KG sich für den Fall der Vertragsannahme ausdrücklich gebunden.

§ 3     

Die Mitglieder der Schutzgemeinschaft (Stimmrechtspool) sind verpflichtet, das sich aus ihren GmbH-Anteilen ergebende Stimmrecht nur einheitlich auszuüben. Deshalb ist vor jeder Stimmabgabe in Gesellschafterversammlungen der GmbH ein Beschluss der Mitglieder dieses Pools herbeizuführen, wie die Stimmrechte in der GmbH einheitlich ausgeübt werden. Dies kann durch Abstimmung auf einer Mitgliederversammlung oder durch Umfrage unter den Mitgliedern erfolgen.

§ 4     

Das Stimmrecht in der Poolversammlung richtet sich nach den Stimmrechten in der Gesellschafterversammlung der GmbH. Beschlüsse der Mitglieder der Schutzgemeinschaft bedürfen der Einstimmigkeit.

§ 5     

Die Vereinbarung ist auch und insbesondere Ausdruck gegenseitiger Treuepflichten der Gesellschafter.

§ 6     

Diese Vereinbarung gilt auf unbestimmte Zeit. Eine Kündigung ist erstmals zum 31. Dezember 2020 mit einer Frist von sechs Monaten zum Jahresende möglich.

Tritt in der Person eines Mitglieds ein Ereignis ein, dass nach den gesetzlichen Vorschri...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge