Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattung von Fahrkosten. Anspruch auf Freistellung von Taxikosten unterliegt nicht der Insolvenzmasse. keine Kostenerstattung als selbstbeschaffte Leistung. keine Vermeidung einer gebotenen Krankenhausbehandlung. kein Therapieschema mit hoher Behandlungsfrequenz nach einem Beckenringbruch. keine vergleichbare Mobilitätseinschränkung bei vorübergehender Rollstuhlbindung. Abgrenzung von akuter Krankenbehandlung und medizinischer Rehabilitation
Leitsatz (amtlich)
1. Der Anspruch auf Befreiung/Erstattung von Fahrkosten gem § 60 SGB 5 fällt bei Insolvenz des Versicherten gem §§ 36 Abs 1 InsO, 54 Abs 2 SGB 1 regelmäßig nicht in die Insolvenzmasse; ein insoweit anhängiger Rechtsstreit wird daher nicht gem § 240 ZPO unterbrochen.
2. Zum Beschaffungsweg bei Krankenfahrten mittels Taxi.
3. Zu einer ambulanten Behandlung, die eine - an sich gebotene Krankenhausbehandlung - vermeidet (§ 60 Abs 2 S 1 Nr 4 SGB 5).
4. Ein Therapieschema mit hoher Behandlungsfrequenz iS von § 8 Abs 2 KrTRL (juris: KrTRL 2004) liegt nicht vor, wenn ein Versicherter sich nach einem Beckenringbruch über sieben Monate in unregelmäßigen Abständen durchschnittlich einmal pro Monat einer ambulanten chirurgischen Nachsorgeuntersuchung unterzieht.
5. Die Voraussetzungen des § 8 Abs 3 KrTRL (vergleichbare Mobilitätseinschränkung) sind nicht erfüllt, wenn ein Versicherter für voraussichtlich drei bis sechs Wochen an den Rollstuhl gebunden ist und einer ambulanten Behandlung bedarf.
6. Zur Abgrenzung von akuter Krankenbehandlung und medizinischer Rehabilitation.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 9. Juni 2007 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Freistellung von Fahrkosten.
Der 1977 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Kläger zog sich nach einem Sturz aus großer Höhe am 19. Januar 2006 einen Beckenringbruch zu. Vom 19. Januar bis 10. Februar 2006 wurde er deswegen im Krankenhaus A. R. in S. stationär behandelt und im Rollstuhl entlassen. Im Arztbrief des Krankenhauses vom 9. Februar 2006 an den Chirurgen B. wird zum weiteren Vorgehen vorgeschlagen: "Fortsetzen der Mobilisierung im Rollstuhl für insgesamt drei Wochen ab dem 08.02.2006." (Bl. 18 R d.A.).
Am 16. Februar 2006 fuhr der Kläger - im Rollstuhl sitzend - mit dem Taxi von seinem damaligen Wohnort in W. zu dem Chirurgen B. nach H. zur weiteren Versorgung seiner Beckenringfraktur. Am 23. März 2006 reichte er bei der Beklagten eine undatierte "Verordnung einer Krankenbeförderung" der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. B. ein. In dem Verordnungsformular wird als Begründung für die Verordnung eine dauerhafte Mobilitätseinschränkung auf Grund einer "vergleichbaren Beeinträchtigung der Mobilität" im Sinne des § 8 Abs 3 der Krankentransportrichtlinien (KrTRL) wegen einer Beckenfraktur (ICD-10: S 32.83 Z) angegeben. Über die Art des Beförderungsmittels enthält die Verordnung keine Angaben. In der unteren Hälfte des Formulars befindet sich unter der Überschrift "Genehmigung der Krankenkasse" u.a. eine Rubrik zur Bestätigung der Fahrtdurchführung, die der Kläger sowie - unter dem Datum des 21. März 2006 - der Taxiunternehmer unter Angabe der Fahrkosten iHv 50, 60 EUR unterzeichnet hatten.
Mit Bescheid vom 24. April 2006 lehnte die Beklagte eine Übernahme der Fahrkosten ab. Den Widerspruch des Klägers wies sie nach Einholung einer Stellungnahme von Dr. B. sowie des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Sachsen-Anhalt (MDK) mit Bescheid vom 17. August 2006 zurück, da die Bewegungseinschränkung des Klägers nicht das nach der Krankentransportrichtlinie erforderliche Ausmaß erreicht habe.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 14. September 2006 beim Sozialgericht Halle eingegangenen Klage. Das Sozialgericht hat Befundberichte von Dr. B. (29. Januar 2007) und des Chirurgen B. (16. Februar 2007) eingeholt. Dr. B. hat angegeben, dass eine medizinische Notwendigkeit zur Rollstuhlbenutzung auf Grund des Beckenbruchs bis Ende April 2006 bestanden habe. Der Chirurg B. hat mitgeteilt, dass absolute Gehunfähigkeit bis zum 22. März 2006 und anschließend eingeschränkte Gehfähigkeit bestanden habe. Zuletzt habe er den Kläger am 18. September 2006 behandelt. Auf Nachfrage des Sozialgerichts hat der Kläger erklärt, er habe die Fahrkosten bisher nicht bezahlt.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 9. Juni 2007 antragsgemäß die Beklagte verurteilt, den Kläger unter Aufhebung des Bescheides vom 24. April 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides von den Kosten der Taxifahrt am 16. Februar 2006 unter Berücksichtigung der Zuzahlung freizustellen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Mobilitätseinschränkung des Klägers zum Zeitpunkt des Transportes derjenigen einer Schwerbehinderung mit dem Merkzeichen "aG" entsprochen habe. Auch habe sich der Kläger in der Zeit vom 19. Januar 2006 bis zum 18. September 2006, mithin ü...