Entscheidungsstichwort (Thema)

Widerlegung der Vermutung einer Versorgungsehe zur Begründung eines Anspruchs auf Witwerrente

 

Orientierungssatz

1. Ein Anspruch auf Witwerrente besteht nach § 46 Abs. 2 a SGB 6 nicht, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, nach den besonderen Umständen des Falles ist die Annahme gerechtfertigt, dass es alleiniger oder überwiegender Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.

2. Dabei wird unterstellt, dass dies regelmäßig dann der Fall ist, wenn ein Ehegatte innerhalb eines Jahres nach Eheschließung verstirbt.

3. Bei der Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten ist in der Regel von einer sog. Versorgungsehe auszugehen.

4. Langjährige Heiratsabsichten können nur dann die Vermutung der Versorgungsehe widerlegen, wenn sie hinreichend konkret sind und sich als konsequente Verwirklichung einer schon vor Bekanntwerden der Erkrankung gefassten Heiratsabsicht darstellen.

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Witwerrente nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI). Umstritten ist insbesondere das Vorliegen einer so genannten Versorgungsehe.

Der am ... 1976 geborene Kläger ist der Witwer der am ... 1975 geborenen und am ... 2010 verstorbenen Versicherten C. K. (im Folgenden: Versicherte). Die Anmeldung der Eheschließung erfolgte am 10. August 2010 beim Standesamt B. (Saale). Die Eheschließung fand am 24. August 2010 beim Standesamt N. (Saale) statt.

Der Kläger und die Versicherte lebten seit 1995 zusammen. Am ... April 1996 wurde der gemeinsame Sohn D. B. K. geboren. Die Urkunde über die Anerkennung der Vaterschaft des Klägers datiert vom 8. August 1996.

Der Kläger war ab dem 1. Februar 2007 bei der Firma ASD W. im Abschleppdienst in B., die Versicherte bis zuletzt in ihrem erlernten Beruf als Köchin beschäftigt. Sie bezog ab dem 1. Juni 2009 Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Die Versicherte befand sich ab dem ... Mai 2009 wegen eines kleinzellig anaplastischen, multipel metastasierenden weit fortgeschrittenen Bronchialkarzinoms (pulmonal, hepatisch, abdominell, retroperitoneal, cutan) im Krankenstand. Ausweislich der Epikrise des Universitätsklinikums H. (UKH) über den stationären Aufenthalt der Versicherten vom 1. bis zum 4. September 2009 sei nach vier Zyklen seit Juni 2009 applizierter palliativer Chemotherapie eine partielle Remission bei neu aufgetretenen abklärungsbedürftigen ossären Veränderungen festzustellen gewesen. Die Chemotherapie wurde im Sinne einer Erhaltungstherapie fortgeführt.

Die Versicherte absolvierte dann vom 13. Januar bis zum 13. Februar 2010 eine stationäre onkologische Rehabilitationsmaßnahme in der M.- K. In dem entsprechenden Entlassungsbericht vom 10. Februar 2010 wird die Prognose als äußerst ungünstig bezeichnet. Bei fortgeschrittener, multipel metastasierter onkologischer Erkrankung mit fortbestehender Behandlungsbedürftigkeit erscheine die Erwerbsfähigkeit der Versicherten bleibend aufgehoben. In der Krankheitsverarbeitung der Versicherten herrschten Verdrängungsmechanismen vor, die dieser eine psychische Stabilität gäben. Die Erkrankungssituation an sich werde erfasst. Die Versicherte würde gerne wieder berufstätig werden; sie erfasse die Schwere ihrer Erkrankung und die chronische Behandlungsbedürftigkeit nicht.

Die Versicherte befand sich vom 2. bis zum 29. März 2010 in ambulanter Behandlung des UKH zur palliativen Ganzhirnbestrahlung wegen progredienter zerebraler Filiae (Metastasen). Sie wurde vor der Eheschließung am ... August 2010 vom 20. bis zum 23. April, vom 29. Juni bis zum 4. August und vom 11. bis zum 12. August 2010 stationär im UKH behandelt und unterzog sich jeweils am 28. April, 19. Mai und 11. Juni 2010 einer ambulanten Chemotherapie sowie vom 15. bis zum 28. Juli 2010 einer ambulanten palliativen Radiotherapie.

Nach der Epikrise des UKH vom 23. April 2010 habe sich während des stationären Aufenthaltes vom 20. bis zum 23. April 2010 nach simultaner Radiochemotherapie eine stabile Grunderkrankung bei weiter geringer Größenregredienz der bekannten mediastinalen Weichteilverdichtungen und im Wesentlichen konstanten peripheren Metastasierungsmustern bei einer möglicherweise geringen Größenprogredienz der Leberherde und des Lymphknotens im Ligamentum hepatoduodenale (Leber-Zwölffingerdarm-Band) gezeigt. Eine dreiwöchentliche Chemotherapie sollte durchgeführt werden. In der Epikrise des UKH vom 4. August 2010 über den stationären Aufenthalt vom 29. Juni bis zum 4. August 2010 wird eine vollständige Regredienz der intrakraniellen Metastasen nach der Chemotherapie von April bis Juni 2010 mitgeteilt. Ausweislich der Magnetresonanztomografie der Wirbelsäule vom 5. Juli 2010 habe jedoch eine diffuse metastatische Durchsetzung der gesamten Wirbe...

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