Entscheidungsstichwort (Thema)
Impfschadensrecht. Tetanusimpfung. Impfschaden. psychoreaktive Störungen nach Tetanusimpfung. Beschädigtenversorgung. Feststellung weiterer Schädigungsfolgen
Leitsatz (amtlich)
Zwar sind seit dem 1. Januar 2009 die in der Anlage zur Versorgungsmedizin-Verordnung festgelegten Versorgungsmedizinischen Grundsätze anzuwenden. Doch behalten die Nrn 53 bis 143 der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit und damit der Verweis in Nr 57 auf die Mitteilungen der STIKO, weiterhin Gültigkeit als antizipiertes Sachverständigengutachten. Danach hat die Klägerin lediglich eine folgenlose ausgeheilte übliche Impfreaktion erlitten. Ein Impfschaden liegt nicht vor.
Orientierungssatz
1. Seit dem 1.1.2009 sind die in der Anlage zur Versorgungsmedizin-Verordnung (juris: VersMedV) festgelegten Versorgungsmedizinischen Grundsätze anzuwenden. Dennoch behalten die Nrn 53 bis 143 der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" und damit der Verweis in Nr 57 auf die Mitteilungen der STIKO, weiterhin Gültigkeit als antizipiertes Sachverständigengutachten.
2. Zum Nichtvorliegen eines Anspruchs auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem BSeuchG bzw dem IfSG wegen der anerkannten Schädigungsfolge "psychoreaktive Störungen nach Tetanusimpfung" mangels Vorliegens eines rentenberechtigenden Grades der Schädigung sowie auf Feststellung weiterer Schädigungsfolgen (hier: Schmerzstörung im Bereich des linken Armes, der linken Schulter in Verbindung mit Herz- und Kopfschmerzen und eine dadurch verursachte schmerzbedingte Schlafstörung).
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Umstritten sind die Feststellung weiterer Schädigungsfolgen und der Anspruch auf Versorgungsleistungen nach dem Bundesseuchengesetz (BSeuchG) bzw. dem Infektionsschutzgesetz (IfSG).
Der am ... 1956 geborenen Klägerin wurde am 3. April 1994 im Kreiskrankenhauses A. zur Tetanusauffrischung 0,5 ml Tetamun sc in den linken Arm injiziert. Am 29. April 1994 begab sie sich erneut in das Krankenhaus und berichtete über Schmerzen im gesamten Arm bis zum Hals, Taubheitsgefühle und ein Stechen seit der Tetanusinjektion. Der Oberarzt Dr. S. konnte keine Verhärtung und kein Hitzegefühl feststellen und eine Rötung erst nach dem Hinweis der Klägerin erkennen. Er hielt ihre Schilderungen nicht für glaubhaft, da sie sehr viel agiert habe. Vom 20. bis 26. Mai 1994 wurde die Klägerin stationär im Kreiskrankenhaus A. behandelt. Die Injektionsstelle im Bereich des linken Oberarms war nicht mehr erkennbar, Indurationen (Verhärtungen und Verdichtungen des Gewebes) und Ulcerationen konnten nicht festgestellt werden. Im Bereich der Halswirbelsäule (HWS) wurden Verspannungen diagnostiziert. Der übrige Befund (Reflexstatus, Kraftminderung, paraklinische Werte, neurologische Untersuchung) und die am 20. Mai 1994 veranlasste Röntgenuntersuchung waren unauffällig. Nach der Epikrise habe die Klägerin den fehlenden Zusammenhang zwischen den jetzigen Beschwerden und der Tetanusimmunisierung nicht akzeptiert. Lediglich die anfängliche Schwere im linken Arm sei auf die Tetanusimmunisierung zurückzuführen. Wegen einer auffälligen Neigung zu Angst- und Panikzuständen wurde eine psychologische Therapie empfohlen.
Am 6. Februar 1995 erstattete der Arzt für Chirurgie Dr. B. für den Prozessbevollmächtigten der Klägerin ein Gutachten. Danach habe sich am 11. April 1994 im Bereich des linken Arms eine Infektion im Sinne eines Erysipels (akute Entzündung des Dermin) herausgebildet, das nach dem Anlegen von Alkoholverbänden rückläufig gewesen sei. Die Arbeitsfähigkeit der Klägerin habe ab dem 25. April 1994 vorgelegen. Im weiteren Verlauf sei es zu Sensibilitätsstörungen des Oberarms gekommen. Die weitere Diagnostik habe kein fassbares Substrat für die Beschwerden ergeben. Eine Untersuchung durch Dr. K. habe keine neurologischen Ausfälle und die MRT-Untersuchung keinen Hinweis für einen destruktiven oder entzündlichen Prozess des linken Oberarms gezeigt. Es habe lediglich der Verdacht auf einen Erguss an der alten Injektionsstelle vorgelegen. Eine neurologische Untersuchung durch Dr. D. habe entlang der peripheren oder zentralen sensiblen Leitungsbahnen keine Funktionsstörung ergeben. Die von ihm - Dr. B. - durchgeführte Sonographie der Injektionsstelle habe einen kleinen diskreten Erguss über dem Ansatz des Muskulus deltoideus gezeigt. Die Röntgenaufnahmen des Oberarmes seien aber unauffällig gewesen. Wegen der Schmerzen im Oberarm habe er bis Oktober 1994 eine lokale Injektionstherapie durchgeführt. Danach seien die Beschwerden zurückgegangen. Dr. B. kam zu der Einschätzung, wegen des fehlenden morphologischen Substrats lasse sich ein Impfschaden nicht eindeutig beweisen. Doch bestehe ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Injektion und dem Erysipel und den weiteren Schmerzen im Bereich der Tetanusinjektionsstelle.
Vom 8. ...