Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Nebenkostennachforderung für eine nicht mehr bewohnte Wohnung. Bewohnung der Wohnung nur während eines Teils des Abrechnungszeitraums. Fälligkeit der Nebenkostennachforderung
Leitsatz (amtlich)
1. Nebenkostennachforderungen für eine ehemalige Wohnung sind vom Grundsicherungsträger zu übernehmen, wenn der Mieter durchgehend seit dem Zeitraum, für den die Nebenkostennachforderung erhoben wird, bis zu deren Geltendmachung und Fälligkeit im Leistungsbezug nach dem SGB II stand und eine Zusicherung hinsichtlich des Umzugs während des Bezugs von Arbeitslosengeld II vorlag (Anschluss an BSG vom 13.7.2017 - B 4 AS 12/16 R=NZS 2018, 25).
2. Bewohnte der Leistungsempfänger die ehemalige Wohnung nicht während des gesamten Abrechnungszeitraums, kommt nur eine anteilige Übernahme der Nebenkostennachforderung in Betracht.
3. Die Fälligkeit der Nebenkostennachforderung bestimmt sich nach den vertraglichen Vereinbarungen der Mietvertragsparteien (hier: 4 Wochen Zahlungsziel mit Prüffrist).
Tenor
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 26. Mai 2020 und der Änderungsbescheid vom 15. September 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Dezember 2016 werden abgeändert und der Beklagte verurteilt, an die Klägerin für September 2016 weitere Leistungen i.H.v. 292,07 € zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte erstattet die notwendigen außergerichtlichen Kosten der
Klägerin zu 40 %.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Übernahme einer Nebenkostennachforderung für eine nicht mehr bewohnte Wohnung.
Die am ... 1992 geborene Klägerin wohnte zunächst mit ihrer Mutter, deren Partner und ihrer Schwester A. M. in der H.-D.-Straße in H. und bezog seit Januar 2011 als Teil einer Bedarfsgemeinschaft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Ihre Schwester zog zum 16. Dezember 2014 in eine eigene Wohnung in der Straße der D. E. in S. Am 19. Juni 2015 beantragte die Klägerin die Zusicherung zur Übernahme der Kosten einer neuen Unterkunft. Sie beabsichtige, zum 15. Juli 2015 zu ihrer Schwester zu ziehen. Nachdem im Entlassungsbericht der psychiatrischen Tagesklinik des A. Klinikums A. ein eigener Wohnraum empfohlen worden war, erteilte der Beklagte mit Bescheid vom 5. August 2015 die entsprechende Zusicherung. Ausweislich der eingereichten Meldebescheinigung zog die Klägerin zum 13. August 2015 in die Zweizimmerwohnung (50 m²) in der Straße der D. E. in S.
Ab diesem Zeitpunkt bewilligte der Beklagte der Klägerin Grundsicherungsleistungen als Einzelbedarfsgemeinschaft. Er berücksichtigte dabei die Hälfte der anfallenden Kosten für die gemeinsam mit der Schwester bewohnten Wohnung (insgesamt: Miete 215,17 €/Monat, Nebenkosten 55,04 €/Monat, Heizkosten 55,04 € zzgl. Abfallkosten). Mit dem Aufgabenkreis der Regelung von Behördenangelegenheiten, Vermögenssorge und Wohnungsangelegenheiten übernahm ab 27. Oktober 2015 die Mitarbeiterin des Vereins B. S. e.V. Frau G. die Korrespondenz mit dem Beklagten.
Am 5. April 2016 beantragte die Klägerin die Zusicherung zur Übernahme der Kosten für eine neue Wohnung. Sie beabsichtige, zusammen mit ihrer Schwester zum 1. Juli 2016 in die Straße der V. in S. umzuziehen. Die bisherige Wohnung sei zu klein und es gebe Lärmbelästigungen durch Nachbarn. Das beigefügte Mietangebot bezog sich auf eine 2,5-Raumwohnung mit 68,58 m² und einer Bruttowarmmiete i.H.v. 413,89 €/Monat. Mit Bescheid vom 11. April 2016 erteilte der Beklagte die beantragte Zusicherung (hälftige Kosten der Unterkunft und Heizung - KdUH). Der Umzug erfolgte schließlich zum 1. August 2016 in eine gleich große und gleich teure Wohnung in der Straße der V. in S. Der Beklagte übernahm mit Bescheid vom 28. Juni 2016 für diese Wohnung die Wohnungsbeschaffungskosten (hälftige Genossenschaftsanteile i.H.v. 450 € als Darlehen). Er gewährte zudem mit Bescheid vom 9. August 2016 eine teilweise Erstausstattung. Ab August 2016 (Bescheid vom 25. Juli 2016) bewilligte der Beklagte der Klägerin Grundsicherungsleistungen i.H.v. 610,95 €/Monat unter Berücksichtigung der hälftigen KdUH der neuen Wohnung.
Die Klägerin reichte am 8. September 2016 die Betriebs- und Heizkostenabrechnung vom 15. August 2016 für das Jahr 2015 für die Wohnung in der Straße der D. E. in S. beim Beklagten ein. Diese sah eine Nachzahlung i.H.v. 1.512,15 € vor. Diese sei „bitte innerhalb von 4 Wochen auf folgendes Konto …“ zu überweisen. Anderenfalls trete Verzug ein. Mit dem Änderungsbescheid vom 15. September 2016 bewilligte der Beklagte für August 2016 Leistungen i.H.v. unverändert 610,95 €. Der Nachzahlungsbetrag aus der Betriebskostenabrechnung vom 15. August 2016 könne nicht als Bedarf für Unterkunft und Heizung anerkannt werden. Es handele sich um eine nicht mehr bewohnte Wohnung.
Hiergegen erhob die Klägerin am 5. Oktober 2016 Widerspruch. Sie ha...