Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Fremdgeschäftsführer einer GmbH. notariell beglaubigter Treuhandvertrag. Rechtsmacht. faktischer Alleingesellschafter. Geschäftsführer-Anstellungsvertrag. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1.Der Fremdgeschäftsführer einer GmbH, der nicht am Stammkapital beteiligt ist, ist nicht abhängig beschäftigt, wenn er aufgrund eines notariell beglaubigten Treuhandvertrages die Rechtsmacht besitzt, durch Einflussnahme auf den Treuhänder die Geschicke der Gesellschaft zu bestimmen.

2. Hat sich der Treuhänder durch den Treuhandvertrag umfassend einer schuldrechtlichen Beschränkung seiner zu 100 % gehaltenen Geschäftsanteile im Innenverhältnis unterworfen, hat der Geschäftsführer als Treugeber letztlich eine Stellung als faktischer Alleingesellschafter inne.

3. Die überwiegend arbeitnehmertypischen Regelungen im Geschäftsführer-Anstellungsvertrag ändern nichts an einer fehlenden abhängigen Beschäftigung.

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 12. Januar 2016 wird aufgehoben und der Bescheid der Beklagten vom 8. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Oktober 2013 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 31. August 2015 abgeändert. Es wird festgestellt, dass der Kläger in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1. im Zeitraum vom 22. August 2011 bis zum 7. April 2015 nicht beschäftigt gewesen ist.

Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers und der Beigeladenen zu 1. für beide Rechtszüge. Im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung einer abhängigen Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1. nach dem Vierten Buch Sozialgesetzbuch (Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - SGB IV) für die Zeit vom 22. August 2011 bis zum 7. April 2015 (Statusfeststellung).

Der am ... 1970 geborene Kläger war nach seinen Angaben von 1998 bis Dezember 2011 Inhaber des Einzelunternehmens "Elektromeister M. F.".

J. R. (im Folgenden: Zeugin) gründete am 22. August 2011 die Beigeladene zu 1., deren Gegenstand die Elektroinstallation ist. Sie übernahm einen Geschäftsanteil in Höhe von 25.000 EUR (entspricht 100 % des Stammkapitals). Der Kläger wurde im Rahmen der am selben Tag stattfindenden ersten Gesellschafterversammlung zum - stets alleinvertretungsberechtigten und von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreiten - Geschäftsführer bestellt.

Der Kläger als Treugeber und die Zeugin als Treuhänder schlossen darüber hinaus am 22. August 2011 einen notariell beglaubigten Treuhandvertrag. Darin vereinbarten sie, dass die Zeugin ihren zukünftigen Geschäftsanteil an der Beigeladenen zu 1. in Höhe von 25.000 EUR treuhänderisch für den Kläger hält (§ 1). Ferner enthielt der Vertrag folgende Regelungen: Der Treugeber vergütet dem Treuhänder für seine Treuhandtätigkeit jährlich 1.000 EUR zuzüglich Mehrwertsteuer (§ 2 Abs. 1). Der Treuhänder darf den treuhänderisch gehaltenen Geschäftsanteil während des Bestehens des Treuhandverhältnisses nicht ohne vorherige Zustimmung des Treugebers veräußern, verpfänden oder in sonstiger Weise belasten (§ 3 Abs. 1). Der Treuhänder ist verpflichtet, die ihm als Gesellschafter im Außenverhältnis zustehenden Rechte, insbesondere das Stimmrecht aus der Beteiligung, nur gemäß der Weisung des Treugebers auszuüben, er hat vor jeder Stimmabgabe diese Weisung einzuholen (§ 3 Abs. 2a). Er ist verpflichtet, über den Geschäftsanteil nur nach vorheriger Zustimmung des Treugebers zu verfügen (§ 3 Abs. 2d). Der Treugeber kann jederzeit die Abtretung des für ihn treuhänderisch gehaltenen Geschäftsanteils verlangen (§ 4 Abs. 2 Satz 1). Der Treuhänder erteilt hiermit, soweit zulässig, dem Treugeber weiterhin Vollmacht zur Ausübung der Stimmrechte aus dem von ihm treuhänderisch gehaltenen Geschäftsanteil (§ 6 Satz 1). Der Vertrag kann von dem Treugeber jederzeit, vom Treuhänder nur mit einer Frist von einem Monat durch schriftliche Erklärung gekündigt werden (§ 7 Abs.1). Der Treuhänder tritt bereits jetzt mit Wirkung auf den Zeitpunkt der Wirksamkeit der Kündigung den treuhänderisch gehaltenen Geschäftsanteil an den dies annehmenden Treugeber ab (§ 7 Abs. 2).

Der Kläger schloss zudem mit der Beigeladenen zu 1. am 8. Dezember 2011 einen Geschäftsführer-Anstellungsvertrag. Darin war geregelt, dass der Geschäftsführer die Gesellschaft nach Maßgabe der Gesetze, des Gesellschaftsvertrages und der Beschlüsse der Gesellschafterversammlung vertritt (§ 2 Abs. 1). Er darf bestimmte Geschäfte nur nach vorheriger Zustimmung der Gesellschafterversammlung ausführen, u.a. Anschaffungen mit einem Wert von mehr als 5.000 EUR (§ 2 Abs. 2g). Der Geschäftsführer ist von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit (Abs. 3). Er ist an eine bestimmte Arbeitszeit nicht gebunden. Die Arbeitszeit richtet sich vielmehr nach den betrieblichen Erfordernissen und ist vom Geschäftsf...

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