Entscheidungsstichwort (Thema)
Anerkennung einer Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage zur BKV
Orientierungssatz
1. Die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 2301 BKV setzt voraus, dass der Versicherte während der Ausübung versicherter Tätigkeit Lärm ausgesetzt war und diese Einwirkung eine Schwerhörigkeit verursacht hat, vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 - B 2 U 5/05 R.
2. Eine ausreichende Lärmexposition liegt bei einem Lärmpegel von mehr als 90 Dezibel und lang andauernder Einwirkung vor. Gehörschäden werden auch bereits durch langjährigen Lärm verursacht, dessen Tages-Lärmexpositionspegel den Wert von 85 Dezibel erreicht. Bei sehr hohen Lautstärken sind bleibende Gehörschäden auch schon nach wenigen Tagen oder Wochen möglich.
3. Bei der Beurteilung des Kausalzusammenhangs zwischen der beruflichen Exposition und der geltend gemachten Gesundheitsstörung gilt der Maßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit.
4. Das typische Schadensbild einer Lärmschwerhörigkeit nach Nr. 2301 BKV ist eine Schallempfindungsschwerhörigkeit, hingegen keine Schalleitungsstörung.
5. Wurde beim Versicherten nach ausreichender Lärmexposition bereits kurz nach dessen Ausscheiden aus der lärmexponierten Tätigkeit eine beidseitige Hochtonhörminderung festgestellt, so ist diese mit Wahrscheinlichkeit auf die berufsbedingte Lärmexposition und nicht auf eine fortschreitende altersbedingte Schwerhörigkeit zurückzuführen.
6. Hat eine andere als die beklagte Berufsgenossenschaft durch eine im Verwaltungsverfahren fehlerhafte Ermittlung der Expositionszeiten bei den zu ihrem Zuständigkeitsbereich gehörenden Unternehmen zur Klageerhebung gegen die beklagte Berufsgenossenschaft beigetragen, so können ihr als Beigeladener die außergerichtlichen Kosten des Klägers und des Vorverfahrens auferlegt werden.
Tenor
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 17. August 2004 und der Bescheid der Beklagten vom 21. September 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2001 werden aufgehoben. Es wird gegenüber der Beigeladenen festgestellt, dass die Schwerhörigkeit des Klägers ab 14. September 1993 eine Lärmschwerhörigkeit der Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung ist.
Die Beigeladene hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten für beide Instanzen und das Vorverfahren zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Anerkennung eines Hörverlustes als Berufskrankheit der Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).
Der 1942 geborene Kläger erlernte in der Zeit vom 1. September 1957 bis 31. August 1960 den Beruf des Klempners und Installateurs bei der Firma S. in S. und war dort anschließend bis zum 9. Oktober 1960 beschäftigt. Vom 10. Oktober 1960 bis 28. Juni 1961 war er in der Kupfer- und Kesselschmiede des VEB Z. S mit Reparaturarbeiten an der Maschinenanlage beschäftigt. Anschließend übte er Tätigkeiten in der Rohrverlegung sowie mit Presslufthämmern beim VEB E. M bis zum 17. April 1963 aus. Nach einer Inhaftierung aus politischen Gründen nahm er am 1. November 1963 seine Tätigkeiten beim VEB E. M wieder auf. Vom 1. Mai 1967 bis 10. November 1968 leistete er seinen Grundwehrdienst bei der Nationalen Volksarmee (NVA) der DDR ab und setzte anschließend bis zum 28. Februar 1969 seine Tätigkeiten beim VEB E. M fort. Vom 1. März 1969 bis 18. Mai 1972 war er bei der Firma B. als Schlosser tätig. Diese Tätigkeit setzte er bei dem Rechtsnachfolger, dem VEB Elektroofenbau, in der Zeit vom 19. Mai 1972 bis 3. August 1975 fort. Vom 4. August 1975 bis 31. Dezember 1984 und vom 1. April 1985 bis 30. November 1987 war er mit der Wartung und Instandhaltung von Gaskesselanlagen bei dem VEB Gebäudewirtschaft S. beschäftigt. Anschließend verlegte er seinen Wohnsitz nach Nordrhein-Westfalen. Dort war er vom 3. Dezember 1987 bis 30. April 1988 zunächst arbeitslos und nahm am 1. Mai 1988 eine Tätigkeit als Produktionsschlosser bei der Firma K. GmbH in H auf. Es folgten Tätigkeiten als Reparaturschlosser bei der Firma W. jr. in H vom 26. Januar 1989 bis 31. Mai 1991 und der Firma E ... und C. in H vom 1. Juni 1991 bis 16. April 1993. Nachdem er bis zum 14. September 1993 arbeitslos war, übte er vom 15. September bis 31. Dezember 1993 eine Tätigkeit als Betriebsarbeiter (Bedienen eines Aschekrans) bei der Stadt Hagen im Entsorgungsbetrieb aus. Anschließend war er wiederum arbeitslos. Im Jahr 1997 verlegte er seinen Wohnsitz nach S ... Vom 1. Dezember 1997 bis zum 30. November 1998 war er als Reparaturschlosser bei der Firma J. Landschaftssanierung GmbH in S. tätig. Diese Tätigkeit stellte er infolge eines Arbeitsunfalls am 15. Januar 1998 ein. Seit dem 15. Juli 1999 bezog er eine Berufsunfähigkeitrente.
Am 11. Oktober 1999 zeigten die HNO-Ärzte und Allergologen Dres. S. der Beigeladenen eine Lärmschwerhörigkeit des Klägers als Berufskrankheit an. Als Diagnose gaben sie eine Schallempfindungsstörung beidseits an. Sie fügten ein Tonaudiogramm vo...