Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Gesellschafter-Geschäftsführer. Kapitalbeteiligung. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. Abgrenzung
Leitsatz (amtlich)
Gesellschafter-Geschäftsführer sind aufgrund ihrer Kapitalbeteiligung nur dann selbstständig tätig, wenn sie mindestens 50 vH der Anteile am Stammkapital halten oder ihnen bei geringerer Kapitalbeteiligung nach dem Gesellschaftsvertrag eine "echte" bzw "qualifizierte" Sperrminorität eingeräumt ist. Eine "echte" bzw "qualifizierte" Sperrminorität setzt voraus, dass sie nicht auf bestimmte Angelegenheiten der Gesellschaft begrenzt ist, sondern uneingeschränkt die gesamte Unternehmenstätigkeit umfasst. Außerhalb des Gesellschaftsvertrags (Satzung) zustande gekommene, das Stimmverhalten regelnde Vereinbarungen (Abreden) sind bei der Bewertung der Rechtsmachtverhältnisse nicht zu berücksichtigen (vgl BSG vom 14.3.2018 - B 12 KR 13/17 R = BSGE 125, 183 = SozR 4-2400 § 7 Nr 35, juris, Leitsätze 2-4).
Normenkette
SGB IV § 7 Abs. 1 S. 1, § 2 Abs. 1, 2 Nr. 1; SGB V § 5 Abs. 1 Nr. 1; SGB VI § 1 S. 1 Nr. 1; SGB XI § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1; SGB III § 25 Abs. 1 S. 1; BGB § 181; SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2, § 197a Abs. 1 S. 1; VwGO § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 2
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 2. Mai 2019 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Den Beigeladenen sind Kosten nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob der Beigeladene zu 1. als geschäftsführender Gesellschafter der Klägerin bei dieser in der Zeit vom 1. Januar 2013 bis zum 31. Dezember 2016 versicherungspflichtig beschäftigt war.
Die Klägerin ist im Metall- und Maschinenbauerhandwerk einschließlich Entwurf, Bau und Montage der Erzeugnisse tätig und seit dem 8. August 2001 im Handelsregister eingetragen (AG G., HRB XXXX; nach der Verlegung ihres Sitzes AG S., HRB XXXX). Sie hat gemäß § 5 Nr. 1 ihrer Satzung vom 29. Mai 1997 einen oder mehrere Geschäftsführer. Ist nur ein Geschäftsführer bestellt, vertritt er die Gesellschaft allein. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, so wird die Gesellschaft durch zwei Geschäftsführer oder durch einen Geschäftsführer in Gemeinschaft mit einem Prokuristen vertreten. Die Gesellschafterversammlung kann allen oder einzelnen Geschäftsführern Alleinvertretungsbefugnis einräumen und sie von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreien. Sie kann gemäß § 5 Nr. 2 eine Geschäftsordnung für den oder die Geschäftsführer beschließen. In dieser Geschäftsordnung können Rechtsgeschäfte und Handlungen bezeichnet werden, die der vorherigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedürfen. Soweit diese Geschäftsordnung für den Beschluss der zustimmungsbedürftigen Rechtsgeschäfte oder Handlungen keine qualifizierte Mehrheit vorschreibt, was zulässig ist, bedarf der Zustimmungsbeschluss der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Der Beschluss über die Aufstellung oder Änderung der Geschäftsordnung selbst bedarf einer Mehrheit von 75 v.H. der abgegebenen Stimmen. Die Abtretung eines Geschäftsanteils oder von Teilen an einen Erwerber, der nicht schon Gesellschafter ist, bedarf der Zustimmung der Gesellschafter mit einer Mehrheit von 75 v.H. der ihnen zustehenden Stimmen (§ 7 der Satzung). Die Gesellschafterversammlung ist gemäß § 8 Nr. 4 der Satzung beschlussfähig, wenn mindestens 75 v.H. des Stammkapitals vertreten sind. Erweist sich eine Gesellschafterversammlung als nicht beschlussfähig, so ist binnen einer Woche eine zweite Versammlung mit gleicher Tagesordnung einzuberufen, die ohne Rücksicht auf die Höhe des vertretenen Stammkapitals beschlussfähig ist. Hierauf ist in der Einberufung hinzuweisen. Laut § 10 der Satzung (Minderheitsschutz) können Gesellschafter, denen zusammen Geschäftsanteile von mindestens 1/10 des Stammkapitals gehören, bei der Geschäftsführung unter Angabe des Zwecks und der Gründe die Einberufung einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung beantragen. Gemäß § 12 der Satzung (Stimmrecht) werden Beschlüsse mit einfacher Mehrheit gefasst, soweit die Satzung oder das Gesetz nicht zwingend eine andere Mehrheit vorschreiben. Die Abänderung des Gesellschaftsvertrages bedarf gemäß § 16 der Satzung einer Mehrheit von 3/4 der abgegebenen Stimmen. Der Beschluss muss notariell beurkundet werden und zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet werden. Gemäß § 13 der Satzung beschließt die Gesellschafterversammlung u.a. über die Entlastung der Geschäftsführer (Buchst. b) sowie die Auflösung der Gesellschaft (Buchst. g).
Der 1965 geborene Beigeladene zu 1. ist gelernter Schlossermeister. Bis 2001 arbeitete er - nach seinen Angaben im Feststellungsbogen der Beklagten zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von Gesellschafter-Geschäftsführern, Fremdgeschäftsführern und mitarbeitenden Gesellschaftern einer GmbH sowie Geschäftsführern einer Familien-GmbH unter dem 27. ...