Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung einer unfallbedingten Einschränkung des rechten Unterarms und der rechten Hand. Verletztenrente. Minderung der Erwerbsfähigkeit. Funktionseinschränkungen. Handgelenk. Drehfähigkeit des Unterarms

 

Orientierungssatz

1. Ein Anspruch von Verletztenrente setzt nach § 56 Abs. 1 SGB 7 voraus, dass die Erwerbsfähigkeit des Versicherten infolge des Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um mindestens 20 v. H. gemindert ist, vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2004 - B 2 U 14/03 R.

2. Für einen Speichenbruch mit Achsenabknickung und Einschränkung der Handgelenkbewegungen um wenigstens 40 Grad ist eine MdE um 10 v. H. angemessen; bei einem solchen mit erheblicher Achsenabknickung und Einschränkung der Handgelenkbewegungen um insgesamt 80 Grad ist ein Satz von 20 bis 30 v. H. zu veranschlagen.

3. Unfallbedingte Einschränkungen des rechten Handgelenks und der Fingerfunktion mit einer spürbar geminderten groben Kraft der rechten Hand, einer eingeschränkten Unterarmdrehfähigkeit und einer zentralen Teillähmung des Ellennervs sind mit dem Verlust des Daumens einer Hand vergleichbar und infolgedessen mit einer MdE von 20 v. H. zu bewerten.

 

Normenkette

SGB VII § 56 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, § 72 Abs. 1 Nr. 1, § 73 Abs. 6

 

Tenor

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dessau vom 28. April 2006 wird aufgehoben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 22. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Dezember 2004 sowie des Bescheides vom 21. August 2007 verurteilt, den Klägerinnen nach A. H. vom 1. November 2003 an bis zum 31. Oktober 2008 eine Verletztenrente nach einer MdE um 20 vH zur gesamten Hand zu gewähren.

Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerinnen für das Vorverfahren sowie für beide Rechtszüge.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 vom Hundert (vH) zu gewähren ist.

Die Klägerinnen sind Erbinnen des am ... 1955 geborenen und am ... 2008 verstorbenen A-M H (der Versicherte). Dieser stürzte am 29. Januar 1999 bei versicherter Tätigkeit auf die rechte Hand und zog sich dabei nach der Diagnose des Facharztes für Chirurgie und D-Arzt Dr. M. einen handgelenksnahen Speichenbruch mit leichter Einstauchung zu. In seinem Nachschaubericht vom 17. April 1999 hielt Dr. M. auf Grundlage seiner Untersuchung vom Vortag u.a. ein stark geschwollenes und schmerzhaftes Handgelenk mit einer sich nach der Gipsabnahme anbahnenden Sudecksymptomatik (Synonym für complexes, regionales Schmerzsyndrom - CRPS) fest, die inzwischen weitgehend zurückgebildet sei. Arbeitsfähigkeit des Versicherten trat zunächst am 17. Mai 1999 ein. In seinen Nachschauberichten vom 6. Dezember 1999 und 8. Februar 2000 teilte Dr. M. vom Versicherten angegebene Belastungsschmerzen sowie Taubheitsgefühle in den Fingern I bis IV der rechten Hand mit, fand röntgenologisch einen in guter Stellung knöchern durchbauten Frakturzustand und gab wegen des Verdachts auf das Vorliegen eines Carpaltunnelsyndroms eine Vorstellung bei einem Neurologen an.

Am 5. Juni 2003 suchte der Versicherte den Chefarzt der Unfallchirurgischen Klinik des Städtischen Klinikums D. Dr. Z. auf, der nach neurophysiologischer Zusatzuntersuchung ein posttraumatisches Carpaltunnelsyndrom mit Syndrom der Loge de Gyon (Schädigung des Nervus ulnaris an der Kleinfingerseite) diagnostizierte. Klinisch finde sich an der Beugeseite aller fünf Finger eine Dysästhesie sowie eine Schwäche bei der Abduktion (Abspreizen) unter Betonung des vierten und fünften Fingers. Der Faustschluss sei vollständig, die Fingerstreckung regelrecht und die Beweglichkeit im rechten Handgelenk nach allen Richtungen mäßig eingeschränkt (handrücken-/hohlhandwärts 65-0-40°, ellen-/speichenwärts 35-0-25°). Der Grob-, Spitz- und Schlüsselgriff sei problemlos möglich. Atrophiezeichen bestünden nicht. Am 23. Juni 2003 wurde in der Klinik eine operative Dekompression der Nervi medianus und ulnaris (Mittelarm- und Ellennerven) rechts durchgeführt.

Unter dem 19. August 2003 berichtete Dr. M., bei dem die ambulante Nachsorge erfolgte, der Versicherte verspüre noch deutliche Empfindungsstörungen; die Finger seien nur unter Schmerzen beweglich. Ein Ende der Behandlung sei nicht abzusehen. In der Zeit vom 14. September bis zum 11. Oktober 2003 befand sich der Versicherte zur Weiterbehandlung stationär in der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie der Berufsgenossenschaftlichen Kliniken B. H ... In dem dazu erstellten Bericht dokumentierte der Oberarzt der Klinik Dr. L.-S. einen Abstand der Langfingerkuppen zur Daumenspitze von 2,5 cm beim vierten Finger (ansonsten uneingeschränkt) sowie Abstände zwischen den Nagelrändern und der Hohlhandfalte von 1,5 cm beim zweiten Finger, von jeweils 1 cm beim dritten und fünften Finger und von 0,5 cm beim vierten Finger. Die Unterarmdrehung rechts betrage 50-0-80°. Das rechte Han...

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