Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Konkludente Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch rügelose Ingebrauchnahme möglich!
Normenkette
§§ 633ff. BGB, § 640 BGB
Kommentar
1. Wurden bauträgerseits erstellte Wohnungen 1975 bezugsfertig und überwiegend in diesem Zeitraum an Ersterwerber veräußert, so hat jeder Wohnungseigentümer grundsätzlich aus seinem Erwerbsvertrag heraus einen eigenen Anspruch auf mangelfreie Herstellung des gesamten Gemeinschaftseigentums. Ein solcher Anspruch wird in seinem Umfang auch nicht dadurch berührt, inwieweit andere Wohnungseigentümer ihre Ansprüche noch durchsetzen können ( § 425 Abs. 2 BGB), wobei dahinstehen kann, ob die Wohnungseigentümer Gesamtgläubiger oder Mitgläubiger sind (vgl. BGH, NJW 85, 1552).
2. Wird nun eine bereits jahrelang vermietete Eigentumswohnung erst 1981 veräußert, mit der Gewährleistungsklausel, dass sie in dem Umfang und Zustand verkauft werde, wie der Verkäufer sie bisher besessen habe, ohne über das Gesetz hinausgehende Gewährleistung und ohne Zusicherung besonderer Eigenschaften mit der Einschränkung, dass dem Veräußerer keine versteckten Mängel bekannt seien und wurde im Vertrag auf ein noch bestehendes Mietverhältnis hingewiesen, und nochmals ausdrücklich vermerkt, dass die Wohnung in dem Zustand verkauft werde, wie sie der Verkäufer bisher besessen habe, so handelt es sich hier nicht mehr um die Veräußerung einer neuen Eigentumswohnung; dies gilt auch unter Berücksichtigung der BGH-Rechtsprechung (Baurecht 82, 59f.). Es fehle hier an den Voraussetzungen, die nach dem BGH zu werkvertraglicher Gewährleistung führten ("Inhalt, Zweck und wirtschaftliche Bedeutung des Vertrages sowie Interessenlage der Parteien würden die Verpflichtung des Veräußerers zur mangelfreien Erstellung des Bauwerkes ergeben").
3. Aber auch in 1975 erstveräußerten Wohnungen (ob nun vermietet oder unvermietet) mit werkvertraglicher Gewährleistungsfolge (hier i. ü. ungültige vertragliche Einschränkungen) führten bei einer Klageerhebung 1985 unter Zugrundelegung dieser Ersterwerbsverträge nicht mehr zu einer Mängelgewährleistungsverpflichtung des Veräußerers. Es habe zwar keine förmliche Abnahme des Gemeinschaftseigentums in den Folgejahren nach 1975 stattgefunden. Allerdings könne in der bestimmungsgemäßen Ingebrauchnahme der Räumlichkeiten eine Billigung des Werks gesehen werden, die jedoch eine gewisse Nutzungszeit voraussetze (BGH, NJW 85, 732). Erfolgte durch diese Ersterwerber überwiegend schon 1975 ein Einzug in die Wohnungen, müsse spätestens 1977, allenfalls bei einigen Erwerbern 1978 von einer konkludenten Abnahme ausgegangen werden. Anfängliche Baumängelgewährleistungsansprüche bezügl. des Gemeinschaftseigentums wären dann zumindest bei 5jähriger Gewährleistungsfrist spätestens 1983 verjährt. Allein dieses Ergebnis werde der Interessenlage gerecht; es widerspräche nämlich den Gedanken des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit, die dem Rechtsinstitut der Verjährung zugrunde lägen, wollte man die Ersterwerber zum Teil noch nach 10 Jahren erstmals mit Gewährleistungsansprüchen hervortreten lassen.
Link zur Entscheidung
( OLG Stuttgart, Urteil vom 18.02.1988, 11 U 34/87)
zu Gruppe 6: baurechtliche und bautechnische Fragen; Baumängel
Anmerkung:
Mit dieser Entscheidung wurde die entgegenstehende Auffassung des LG Ulm (Urteil vom 3. 4. 1987) aufgehoben. Sicher ist aus heutiger Rechtskenntnis heraus Bauträgerverkäufern dringend anzuraten, auch eine förmliche einheitliche Übergabe des Gemeinschaftseigentums vorzunehmen bzw. zu organisieren, um aus eigenen Interessen heraus möglichst frühzeitig den einheitlichen Beginn des Laufes der Gewährleistungsfrist in Gang zu setzen. Sind in einzelnen Erwerbsverträgen nicht Einzelabnahmen auch des Gemeinschaftseigentums ausdrücklich vorgesehen (Bauträgerveräußerern ist eine solche Vereinbarung nicht anzuraten), empfiehlt sich also dringend eine einheitliche förmliche Abnahme auch des Gemeinschaftseigentums mit Wirkung für und gegen alle Ersterwerber von Eigentumswohnungen, wobei in nachfolgenden Ersterwerbsvertragsabschlüssen auf eine bereits erfolgte verbindliche Abnahme hinzuweisen wäre.
Gab es nun in den 70er Jahren - wie leider üblich - keine solchen förmlichen einheitlichen Abnahmen des Gemeinschaftseigentums, war die Frage bisher noch nicht obergerichtlich entschieden, in welcher Zeit ab tatsächlicher Ingebrauchnahme des Gemeinschaftseigentums von einer Verfristung von Gewährleistungsansprüchen auszugehen wäre. Hier hat nun das OLG Stuttgart eine wohl erste Rechtsäußerung dahingehend getroffen, dass zumindest 2 oder 3 Jahre nach Bezug von einer konkludenten Abnahmewirkung auszugehen sei, von einem Gewährleistungsfristende dann entsprechend 5 Jahre später. Werden also erstmals erst 10 Jahre seit Bezug unter Hinweis auf eine nicht erfolgte förmliche Abnahme Gewährleistungsansprüche klageweise geltend gemacht, greift aus Rechtssicherheitsgründen eine Verjährungseinrede des Gewährleistungsschuldners durch.
Diese Entscheidung erscheint sowohl für Bauträgerverkäufer wie für ...