Leitsatz
Im Rahmen eines von einer 38-jährigen Studentin geführten Schadensersatz- und Schmerzensgeldprozesses gegen den behandelnden Arzt und den Träger des Krankenhauses ging es primär um die Frage, ob die Klägerin einen Anspruch auf Prozesskostenvorschuss gegen ihre Eltern hat.
Sachverhalt
Die Klägerin machte im Zusammenhang mit einer im Mai 1988 durchgeführten operativen Beinverlängerung gegen den seinerzeit behandelnden Arzt Schmerzensgeld in kapitalisierter Form und als monatliche Rente geltend und verlangte ferner Feststellung der Ersatzpflicht für alle künftigen und materiellen und immateriellen Schäden. Ferner wurde von ihr die Trägerin des Krankenhauses als Beklagte zu 2) in Anspruch genommen.
Die Klägerin beantragte für die von ihr erhobene Klage Gewährung von Prozesskostenhilfe, der das LG insoweit stattgab, als sie 25.000,00 EUR Schmerzensgeld und eine monatliche Rente von 250,00 EUR sowie Feststellung begehrte. Für die darüber hinausgehenden Klageanträge wurde ihr Prozesskostenhilfe vom LG nicht gewährt.
Gegen den teilweise Prozesskostenhilfe bewilligenden Beschluss legte der Bezirksrevisor sofortige Beschwerde unter Hinweis auf einen vorrangigen Prozesskostenvorschussanspruch der Klägerin gegen ihre Eltern ein. Dieser Beschwerde wurde vom LG stattgegeben, das daraufhin für sämtliche Klageanträge die Gewährung von Prozesskostenhilfe ablehnte.
Hiergegen richtete sich die sofortige Beschwerde der Klägerin, der vom LG nicht abgeholfen wurde.
Auch beim OLG war die Beschwerde nicht erfolgreich.
Entscheidung
Das OLG verwies darauf, dass eine Partei für die Prozesskosten zunächst alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert einzusetzen habe, wozu nach einhelliger Auffassung auch der Anspruch auf Prozesskostenvorschuss gegenüber Unterhaltspflichtigen gehöre (BGH v. 4.8.2004 - XII ZA 6/04, BGHReport 2005, 26 = MDR 2005, 94 = FamRZ 2004, 1633). Die Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber ihren Kindern unterliege keinen Altersgrenzen. Sie beginne mit der Geburt und dauere grundsätzlich lebenslang fort, solange das Kind bedürftig und die Eltern leistungsfähig seien. Auch ein volljähriges Kind habe Anspruch auf Unterhalt, solange es sich noch in der Ausbildung befinde. Nach Abschluss der Ausbildung ende der Unterhaltsanspruch regelmäßig, da das Kind damit selbst für seinen Lebensunterhalt sorgen könne und nicht mehr bedürftig sei.
Nach diesen Kriterien habe die Klägerin gegen ihre Eltern einen der Prozesskostenhilfe vorgehenden Anspruch auf Prozesskostenvorschuss.
Sie habe kein verwertbares Vermögen und kein Einkommen. Sie sei auch nicht aufgrund von Zuwendungen ihres Lebensgefährten in der Lage, sich selbst zu unterhalten. Ihre Bedürftigkeit entfalle auch nicht dadurch, dass sie ihre Erwerbsobliegenheiten schuldhaft verletze.
Es könne dahinstehen, ob die Klägerin angesichts des von ihr geschilderten Gesundheitszustandes überhaupt in der Lage wäre, eine berufliche Tätigkeit auszuüben und damit ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen.
Sie befinde sich in einer Berufsausbildung, für die ihre Eltern nach wie vor barunterhaltspflichtig seien. Geschuldet werde eine Berufsausbildung, die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten Neigungen des Kindes am besten entsprächen und sich in den Grenzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern halte. Sei einem Kind eine solche Berufsausbildung gewährt worden, seien Eltern nicht mehr verpflichtet, die Kosten einer weiteren Ausbildung zu tragen. Eine fortdauernde Unterhaltspflicht komme nur dann in Betracht, wenn die weitere Ausbildung zweifelsfrei als eine bloße in engem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stehende Weiterbildung zu dem bisherigen Ausbildungsweg anzusehen sei und von vornherein angestrebt war oder während der Ausbildung eine besondere, die Weiterbildung erfordernde Begabung deutlich geworden sei.
Bei Heranziehung dieser von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze stelle das Jurastudium der Klägerin keine Zweitausbildung, sondern eine Weiterbildung dar, für die sie Unterhalt beanspruchen könne. Der von der Klägerin gewählte Ausbildungsweg einschließlich der Aufnahme des Jurastudiums sei für die Eltern weder überraschend noch unvorhersehbar gewesen. Die Klägerin habe ersichtlich ihren erhebliche Zeit in Anspruch nehmenden Ausbildungsplan mit Wissen und Wollen ihrer Eltern einschlagen. Ihrem Vorbringen könne keinerlei Obliegenheitsverletzung bei der Absolvierung der Ausbildung entnommen werden. Die Verzögerung ihrer Ausbildung sei nicht auf mangelndes Talent oder mangelnden Fleiß zurückzuführen, sondern ausschließlich krankheitsbedingt. Sie habe damit außerhalb der Risikosphäre der Klägerin gelegen, die bislang keine von den Eltern selbständige Lebensstellung erreicht habe, so dass auch dieser Aspekt einem Anspruch auf Prozesskostenvorschuss nicht entgegenstehe.
Link zur Entscheidung
OLG München, Beschluss vom 06.09.2006, 1 W 2126/06