Leitsatz
Bei öffentlich-gefördertem, preisgebundenem Wohnraum ist der Vermieter berechtigt, die Kostenmiete einseitig um den Zuschlag nach § 28 Abs. 4 II. BV zu erhöhen, wenn die im Mietvertrag enthaltene Klausel über die Abwälzung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter unwirksam ist (Abgrenzung zu BGH, Urteil v. 9.7.2008, VIII ZR 181/07, BGHZ 177 S. 186).
(amtlicher Leitsatz des BGH)
Normenkette
BayWoBindG Art. 11; II. BV § 28 Abs. 4
Kommentar
Der Fall betrifft einen sog. Dauernutzungsvertrag zwischen einer Wohnungsbaugenossenschaft und einem Mitglied über eine in Fürth gelegene öffentlich-geförderte, preisgebundene Wohnung. Ein solcher Vertrag ist nach allgemeiner Ansicht als Mietvertrag zu bewerten. Nach dem Vertrag hatte der Mieter die Schönheitsreparaturen zu tragen; allerdings war die betreffende Klausel unwirksam. Die Vermieterin hat den Mieter im Februar 2008 über die Unwirksamkeit der Klausel informiert. Sie hat ihn aufgefordert einer Nachtragsvereinbarung zuzustimmen; hierdurch sollte die unwirksame Klausel durch eine wirksame Regelung ersetzt werden. Anderenfalls müsse die Miete entsprechend § 28 Abs. 4 der II. BV erhöht werden. Der Mieter lehnte die Vertragsänderung ab. Daraufhin hat die Vermieterin die Miete mit Schreiben vom 4.4.2008 um 60,76 EUR monatlich erhöht. Der BGH hatte über die Wirksamkeit der Mieterhöhung zu entscheiden.
Nach seiner Ansicht ist die Mieterhöhung wirksam. Dies beruht auf folgenden Erwägungen:
1. Die rechtlichen Voraussetzungen einer Mieterhöhung für öffentlich-geförderten, preisgebundenen Wohnraum werden im Bundesland Bayern seit dem 1.5.2007 durch das Gesetz zur Sicherung der Zweckbestimmung von Sozialwohnungen in Bayern (Bayerisches Wohnungsbindungsgesetz – BayWoBindG) geregelt. Die zulässige Miete ist die zur Deckung der laufenden Aufwendungen erforderliche Miete (Kostenmiete; Art. 7 Abs. 1 BayWoBindG). Für die Ermittlung dieser Miete gelten die Vorschriften der Neubaumietenverordnung und der Zweiten Berechnungsverordnung entsprechend (Art. 34 Abs. 2 BayWoBindG). In § 28 Abs. 4 der II. BV sind die zulässigen Kostenansätze für Schönheitsreparaturen geregelt. Trägt der Vermieter die Kosten der Schönheitsreparaturen, so dürfen sie "höchstens mit 8,50 EUR je Quadratmeter Wohnfläche im Jahr angesetzt werden" (§ 28 Abs. 4 Satz 2 der II. BV). Ist der Mieter nach den vertraglichen Vereinbarungen nur zur Zahlung einer niedrigeren Miete verpflichtet, kann der Vermieter die Miete durch einseitige Erklärung bis zur zulässigen Kostenmiete erhöhen (Art. 11 BayWoBindG).
2. Der BGH führt aus, dass die Voraussetzungen einer Mieterhöhung nach Art. 11 BayWoBindG auch dann vorliegen, wenn in der bisherigen Kostenmiete kein Zuschlag für Schönheitsreparaturen enthalten ist, weil der Vermieter beim Abschluss des Mietvertrags irrig davon ausgegangen ist, dass die Schönheitsreparaturen vom Mieter getragen werden.
a) Zwar bestimmt Art. 11 Abs. 4 BayWoBindG, dass dem Vermieter kein Mieterhöhungsrecht zusteht, wenn eine Erhöhung der Miete "durch ausdrückliche Vereinbarung mit dem Mieter ... ausgeschlossen ist oder der Ausschluss sich aus den Umständen ergibt". Der BGH stellt klar, dass diese Regelung nur dann greift, wenn der Mieterhöhungsausschluss von beiden Parteien gewollt ist. Bei der Vereinbarung einer unerkannt unwirksamen Klausel ist dies nicht der Fall.
b) Im öffentlichen Preisrecht richtet sich die zulässige Miete grundsätzlich nach den bei der Aufstellung der Wirtschaftlichkeitsberechnung gegebenen Verhältnissen (s. § 4a der II. BV; sog. Einfrierungsgrundsatz). Teilweise wird hieraus abgeleitet, dass die Unwirksamkeit der Renovierungsklausel bei der Ermittlung der zulässigen Kostenmiete nicht zu berücksichtigen ist (AG Stuttgart-Bad Cannstadt, Urteil v. 29.9.2009, 2 C 1685/09, WuM 2009 S. 674; Wüstefeld, WuM 2008 S. 697). Der BGH teilt diese Ansicht nicht. Ist in der ursprünglichen Wirtschaftlichkeitsberechnung kein Ansatz für die Schönheitsreparaturen enthalten, weil der Vermieter irrig von der Wirksamkeit der Renovierungsklausel ausgegangen ist, schließt dies eine spätere Mieterhöhung nicht aus.
c) Eine Mieterhöhung wegen geänderter laufender Aufwendungen kommt nur in Betracht, "soweit sie auf Umständen beruht, die der Vermieter nicht zu vertreten hat" (Art. 8 Abs. 3 Satz 2 BayWoBindG). Der BGH lässt offen, ob die Voraussetzungen dieser Regelung bereits deshalb nicht vorliegen, weil der unterlassene Kostenansatz für Schönheitsreparaturen von Anfang an fehlerhaft war. Durch die Regelung in Art. 8 Abs. 3 Satz 2 BayWoBindG sollen Verstöße gegen den Wirtschaftlichkeitsgrundsatz geahndet werden. Auf den Fall der Vereinbarung einer unwirksamen Renovierungsklausel ist die Regelung nach ihrem Sinn und Zweck unanwendbar.
d) Nach den Grundsatzentscheidungen des BGH vom 9.7.2008 (VIII ZR 83/07 und VIII ZR 181/07) kann der Vermieter einer frei finanzierten Wohnung im Mieterhöhungsverfahren nach § 558 BGB keinen Zuschlag zur ortsüblichen Miete verlangen. Dies beruht auf der Erwägung, dass § 558 Abs. 1 Sa...