Leitsatz
Ein Mieterschutzverein, der den Mieter bei der Entscheidung darüber berät, ob er von einem Zurückbehaltungsrecht an der Miete Gebrauch machen soll, ist Erfüllungsgehilfe des Mieters bei der Erfüllung der Verpflichtung zur Entrichtung der Miete. Der Mieter ist im Rahmen von § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB auch für das schuldhafte Verhalten eines Erfüllungsgehilfen nach § 278 BGB verantwortlich; die ordentliche Kündigung des Vermieters wegen einer nicht unerheblichen Vertragsverletzung setzt nicht ein eigens schuldhaftes Verhalten des Mieters voraus.
Fakten:
Nachdem der Mieter zehn Monate lang die vereinbarten Betriebskostenvorauszahlungen nicht gezahlt hatte, kündigte der Vermieter das Mietverhältnis ordentlich und verlangt Räumung und Herausgabe. Der Mieter wendet ein, er habe die Vorauszahlungen auf Empfehlung des Mieterschutzvereins zurückbehalten, weil der Vermieter trotz wiederholter Aufforderungen keine Rechnungsbelege zu den Nebenkostenabrechnungen für die vorangegangenen Jahre übersandt habe. Entgegen der Vorinstanz gibt der BGH dem Vermieter recht. Übersteigt der Verzug mit der Entrichtung von Betriebskostenvorauszahlungen mehr als zwei Bruttomonatsmieten, liegt eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung des Mieters im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB vor. Der Vermieter ist dann sogar zur fristlosen Kündigung berechtigt. Ein Zurückbehaltungsrecht wegen der Forderung nach Übersendung von Belegen für die Betriebskostenabrechnungen der Jahre zuvor steht dem Mieter nicht zu. Der Mieter kann zum Zwecke der Überprüfung der Abrechnung nur Einsichtnahme in die Abrechnungsunterlagen in den Räumen des Vermieters verlangen. Dass der Mieter den Zahlungsrückstand innerhalb von zwei Monaten nach Erhebung der Räumungsklage
ausgeglichen hat, beseitigt die Wirksamkeit der Kündigung nicht. Die Regelung des § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB, derzufolge eine außerordentliche fristlose Kündigung unwirksam wird, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete befriedigt wird, gilt nicht für die ordentliche Kündigung nach § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB. Obwohl der Mieter hier auf den Rat des Mieterschutzvereins hin handelte, bejaht der BGH hier auch das Verschulden des Mieters. Ein unverschuldeter Rechtsirrtum liegt nur dann vor, wenn der Schuldner die Rechtslage sorgfältig geprüft hat, soweit erforderlich Rechtsrat eingeholt und die höchstrichterliche Rechtsprechung sorgfältig beachtet hat. Der Mieter durfte sich zwar auf die Kompetenz des Mieterschutzvereins verlassen. Doch der Mieter haftet auch für das schuldhafte Verhalten des Mieterschutzvereins als sein Erfüllungsgehilfe. Nach überwiegender Ansicht haftet der Schuldner auch für ein Verschulden seines Rechtsberaters. Entschuldigt ist ein Rechtsirrtum nur dann, wenn der Irrende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt mit einer anderen Beurteilung durch die Gerichte nicht zu rechnen brauchte. Danach war die Empfehlung des Mieterschutzvereins hier schuldhaft falsch. Abgesehen davon, ist es dem Mieter nicht generell unzumutbar, selbst bei einer unklaren Rechtslage die vertraglich vereinbarte Miete zumindest unter Vorbehalt oder auf ein Anderkonto zu zahlen, um einer Kündigung zu entgehen.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 25.10.2006, VIII ZR 102/06
Fazit:
Der BGH ist hier streng, aber konsequent: Einer der wichtigsten fristlosen Kündigungsgründe ist der Verzug mit Mietzahlungen in Höhe von mindestens zwei Monatsmieten. Dieser Betrag kann auch durch Nichtzahlung von Betriebskostenvorauszahlungen auflaufen. Macht der Mieter in dieser Höhe ein Zurückbehaltungsrecht geltend, muss er sich seiner Sache sehr sicher sein, um einer fristlosen Kündigung zu entgehen. Handelt er aufgrund eines falschen Rechtsrats, soll dies nicht zu lasten des Vermieters gehen. Der Mieter muss sich dann vielmehr im Wege der Regressnahme beim Berater schadlos halten. Es empfiehlt sich für den Mieter daher dringend, bei solchen Streitfällen die Miete unter Vorbehalt oder auf ein Anderkonto zu zahlen.