Leitsatz
a) Öffentlich-rechtliche Nutzungsbeschränkungen vermieteter Wohnräume berechtigen den Mieter nicht zur Mietminderung, wenn deren Nutzbarkeit mangels Einschreitens der zuständigen Behörden nicht eingeschränkt ist.
b) Haben die Parteien eine bestimmte Wohnfläche als Beschaffenheit der Mietsache vereinbart, sind die Flächen von Räumen, die nach dem Vertrag zu Wohnzwecken vermietet sind (hier: ausgebautes Dachgeschoss), bei der Wohnflächenermittlung unabhängig davon einzurechnen, ob sie bei einer Flächenberechnung nach den Bestimmungen der Zweiten Berechnungsverordnung als Wohnraum anzusehen sind (Fortführung von BGH, Urteil v. 23.5.2007, VIII ZR 231/06, NJW 2007 S. 2624, Tz. 13).
(amtlicher Leitsatz des BGH)
Normenkette
BGB § 536 Abs. 1 Satz 1
Kommentar
Zwischen den Parteien bestand in der Zeit von Januar 1989 bis Dezember 2007 ein Mietvertrag über ein Einfamilienhaus. In dem Mietvertrag ist die Wohnfläche mit 129,4 qm ausgewiesen. Ein Raum mit der Größe von 20,8 qm befindet sich im Dachgeschoss. Dieser Raum ist als Wohnraum ausgebaut; er darf jedoch wegen feuerpolizeilicher Bedenken nicht zu Wohnzwecken benutzt werden.
Der Mieter vertritt die Ansicht, dass der Raum bei der Bemessung der Wohnfläche nicht zu berücksichtigen sei. Dies habe zur Folge, dass die Mietsache wegen der Abweichung der wirklichen von der vertraglich vereinbarten Fläche einen Mangel aufweise. Der Mieter hat Klage erhoben, mit der er einen Teil der Miete zurückverlangt.
Die Klage hatte keinen Erfolg.
1. Minderung wegen einer öffentlich-rechtlichen Gebrauchsbeschränkung (Leitsatz a)
Kann die Mietsache aus Gründen des Bauordnungsrechts nicht zu dem vertraglich vereinbarten Zweck genutzt werden, liegt ein Mangel vor, wenn die Behörde die Nutzung untersagt oder eine solche Maßnahme androht. Bleibt die Behörde dagegen untätig und wird der Mietgebrauch durch den ordnungswidrigen Zustand nicht beeinträchtigt, ist die Mietsache nach allgemeiner Ansicht mangelfrei mit der weiteren Folge, dass dem Mieter keine Gewährleistungsrechte zustehen (OLG Köln, Beschluss v. 10.11.1997, 19 W 48/97, WuM 1998 S. 152; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 15.1.2004, I-24 U 186/03, DWW 2005 S. 20 und Urteil v. 7.3.2006, I-24 U 91/05, DWW 2006 S. 286; Eisenschmid in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 9. Aufl., § 536 BGB Rdn. 76; Häublein in: MünchKomm, § 536 BGB Rdn. 20). Dieser Ansicht schließt sich der BGH an.
2. Minderung wegen einer Abweichung der wirklichen Fläche von der Vertragsfläche (Leitsatz b)
Der BGH hat bereits mit Urteil vom 24.3.2004 (VIII ZR 295/03, NJW 2004 S. 1947) entschieden, dass ein Mangel i. S. d. § 536 BGB vorliegt, wenn die wirkliche Wohnfläche um mehr als 10 % kleiner ist als die im Mietvertrag angegebene Fläche. Er hat in diesem Zusammenhang allerdings darauf hingewiesen, dass der Begriff der Wohnfläche auslegungsbedürftig ist. Hierbei kommt es in erster Linie darauf an, ob sich die Parteien auf eine bestimmte Methode geeinigt haben (BGH, Urteil v. 22.2.2006, VIII ZR 219/04, WuM 2006 S. 245). Ist dies nicht der Fall, so ist zu prüfen, ob in dem Gebiet, in dem sich die Mietsache befindet, eine bestimmte Methode ortsüblich ist. Fehlt es hieran, ist die Wohnfläche nach den §§ 42 ff. der II. BV (bei Vertragsschluss vor dem 1.1.2004) oder nach der Wohnflächenverordnung (bei Vertragsschluss nach dem 31.12.2003) zu ermitteln (BGH, Urteil v. 23.5.2007, VIII ZR 231/06, NJW 2007 S. 2624; BGH, Urteil v. 22.4.2009, VIII ZR 86/08, NJW 2009 S. 2295).
In § 42 Abs. 4 Nr. 3 II. BV ist bestimmt, dass "Räume, die den nach ihrer Nutzung zu stellenden Anforderungen des Bauordnungsrechts nicht genügen", nicht als Wohnfläche zählen. Eine vergleichbare Regelung findet sich in § 2 Abs. 3 Nr. 2 der Wohnflächenverordnung.
Das Berufungsgericht hat die (Individual-)Vereinbarung über die Wohnfläche dahingehend ausgelegt, dass sich die Parteien über eine Berücksichtigung der Dachgeschossräume bei der Wohnfläche einig gewesen sind. Diese Vereinbarung gehe den gesetzlichen Regeln über die Ermittlung der Wohnfläche in den §§ 42 ff. der II. BV vor. Der BGH führt aus, dass er diese Auslegung "als tatrichterliche Würdigung einer Individualvereinbarung" hinzunehmen habe. Bei dieser Auslegung steht die Entscheidung des Berufungsgerichts mit den Grundsätzen im Einklang, die der BGH in den zitierten Urteilen entwickelt hat.
Hinweis:
Das Urteil des BGH vom 16.9.2009 behandelt ausschließlich diejenigen Fälle, in denen sich aus dem Mietvertrag ausdrücklich oder im Wege der Auslegung ergibt, dass bauordnungswidrige Räume bei der Ermittlung der Wohnfläche zu berücksichtigen sind. Fehlt eine solche Vereinbarung oder ist im Mietvertrag geregelt, dass die Wohnfläche nach der II. BV oder nach der Wohnflächenverordnung ermittelt wurde, dann sind die gesetzlichen Regeln zu beachten (so BGH, Urteil v. 8.7.2009, VIII ZR 218/08, NJW 2009 S. 2880).
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 16.09.2009, VIII ZR 275/08, NJW 2009 S. 3421 m. Anm. Dittert, jurisPR-MietR 24/2009 Anm. 2