Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Trennung des Innenverhältnisses (zwischen Eigentümer und Gemeinschaft) und des Außenverhältnisses (einzelner Eigentümer zum Gewährleistungsschuldner)
Normenkette
§ 634 BGB, § 635 BGB, §§ 812ff. BGB, § 816 Abs. 1 S. 1 BGB
Kommentar
1. Die Gemeinschaftsgebundenheit der Ansprüche auf Minderung und Schadenersatz wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum führt dazu, dass diese Ansprüche allen Mitgliedern einer Wohnungseigentümergemeinschaft gemeinschaftlich zustehen. Dabei hat der Bundesgerichtshof bisher offen gelassen, ob es sich insoweit um eine Gesamtgläubigerschaft im Sinne des § 428 BGB oder um eine Mitgläubigerschaft im Sinne des § 432 BGB handelt (BGH, NJW 85, 1551, zuletzt NJW 92, 435).
Unabhängig davon ist jedoch anerkannt, dass der einzelne Teilhaber/Wohnungseigentümer nicht das Recht hat, über die Forderung der anderen Mitglieder der Gemeinschaft zu deren Lasten zu verfügen. Der Forderungsverzicht eines einzelnen Eigentümers gegenüber dem Gewährleistungsschuldner hat also nur Einzelwirkung auf das ihm zustehende Forderungsrecht, bleibt jedoch ohne Gesamtwirkung auf Berechtigungen der übrigen Teilhaber (BGH, NJW 86, 1861). Der Forderungsverzicht eines Gläubigers im Außenverhältnis zum Gewährleistungsschuldner ist deshalb nicht anders zu behandeln wie sonstige Einwendungen und Einreden, die nur die Person eines der Gläubiger betreffen (z. B. Verjährung) und deshalb das Forderungsrecht der übrigen Gläubiger unberührt lassen. Insoweit ist für einen Forderungsverzicht eines einzelnen Eigentümers gegenüber dem Gewährleistungsschuldner/Veräußerer die strikte Trennung des Außen- und des Innenverhältnisses von Bedeutung.
2. Aber auch der umfassende Verzicht eines Eigentümers auf Gewährleistungsansprüche aus seinem Erwerbsvertrag mit dem Veräußerer lässt seine Befugnis zur Mitwirkung an der Entscheidung der Wohnungseigentümer über die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum und über die Verwendung darauf erhaltener Beträge unberührt. Es ist insoweit eine andere Frage, ob ein Eigentümer, der in seinem Einzelschuldverhältnis zum Veräußerer auf Gewährleistungsansprüche verzichtet hat, einen auf seinen Anteil entfallenen Betrag aufgrund dieses Verzichts an den Veräußerer zurückerstatten muss.
3. Es bestehen überdies Bedenken gegen die Wirksamkeit eines gerichtlichen Vergleichs, in dem ein zur Geltendmachung gemeinschaftlicher Gewährleistungsansprüche ermächtigter Wohnungseigentümer ohne Genehmigung der anderen Miteigentümer eine Verrechnung mit Restvergütungsansprüchen aus seinem Einzelschuldverhältnis zu dem Veräußerer zustimmt. Auch insoweit wird in die Bindungswirkung gemeinschaftsbezogener Ansprüche eingegriffen. Eine generell erteilte Ermächtigung umfasst also nicht die Befugnis des einzelnen Eigentümers, eine gemeinschaftliche Forderung auf Minderung bzw. Schadenersatz für eigennützige Zwecke zu verwenden. Auf diese Weise würde sich ein einzelner Eigentümer mit einer der Gemeinschaft zustehenden Forderung Befreiung von der Verpflichtung zur Zahlung der Restvergütung aus seinem Einzelschuldverhältnis verschaffen, die lediglich ihn allein betrifft. Eine solche Vorgehensweise steht im Widerspruch zur Gemeinschaftsbezogenheit dieser Ansprüche, die überdies nach h. M. nur gemeinschaftlich verfolgt werden können. Eine solche Beschränkung soll auch eine gemeinschaftsgebundene Entscheidung über die Verwendung der auf diese Weise erstrittenen Gelder sicherstellen.
Erhaltene Gelder wären hier gemäß § 816 Abs. 1 S. 1 BGB bei unterstellter Wirksamkeit eines gerichtlichen Vergleichs herauszugeben; mit anderen Worten wäre Wertersatz zu leisten für die Befreiung von Restvergütungsansprüchen des Veräußerers. Der in Geld zu gewährende Ausgleich richtet sich i. ü. nicht nach dem Nominalwert der Restvergütungsansprüche des Veräußerers, sondern nach dem objektiven Verkehrswert, den diese Forderungen zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichs haben. Dabei sind Leistungsverweigerungsrechte zu berücksichtigen. Besitzt eine Gemeinschaft Gewährleistungsansprüche wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum, können diese nur durch Leistung an alle Eigentümer erfüllt werden. Ein Veräußerer ist rechtlich daran gehindert, seine restlichen Vergütungsansprüche gegen diese gemeinschaftlichen Ansprüche auf gewährleistungsrechtliche Minderung und Schadenersatz wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum zu verrechnen oder aufzurechnen. Aus diesem Grund kann auch ein einzelner Eigentümer die geschuldete Restvergütung solange verweigern, bis der Veräußerer die gesamten von ihm geschuldeten Beträge für Minderung und Schadenersatz an die Gemeinschaft gezahlt hat. Aus diesem Grund sind Restvergütungsansprüche des Veräußerers auch gegen einzelne Eigentümer vor gewährleistungsrechtlichem Schuldausgleich nicht durchsetzbar.
4. Weiterhin finden sich in dieser Senatsentscheidung Äußerungen zur Auslegung eines Vergleichs, der im Hinblick auf die fehlende Leistungsfähigkeit des Gewährleistungsschuldners/des Veräußerers ...