Kurzbeschreibung
Muster aus: AnwaltFormulare Arbeitsrecht, Stefan Lunk, 5. Aufl. 2025 (Deutscher Anwaltverlag)
Muster 3.40: Antrag auf Untersagung der Anwendung eines Punkteschemas bei betriebsbedingter Kündigung ohne Betriebsratsbeteiligung
An das Arbeitsgericht _________________________
Antrag
im Beschlussverfahren
betreffend die Firma _________________________ (Name)
mit den Beteiligten
1. |
Betriebsrat der Firma _________________________ (Name), vertreten durch die Betriebsratsvorsitzende _________________________, _________________________ (Anschrift des Betriebsrats) |
– Betriebsrat/Antragsteller –
Prozessbevollmächtigte: RAe _________________________
2. |
Firma _________________________ (Name), vertreten durch _________________________, _________________________ (Anschrift) |
– Arbeitgeberin –
wegen Unterlassung mitbestimmungswidrigen Verhaltens
Für den von uns vertretenen Antragsteller beantrage ich,
1. |
der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, ohne Zustimmung des Betriebsrats oder deren Ersetzung durch die Einigungsstelle bei Kündigungen von Arbeitnehmern ein Punktesystem anzuwenden, nach dem die Sozialauswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer vorgenommen wird, |
2. |
im Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1.: der Arbeitgeberin für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung gemäß Ziffer 1 ein Ordnungsgeld anzudrohen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, |
3. |
hilfsweise: festzustellen, dass der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht hat bei der Aufstellung und Anwendung des von der Arbeitgeberin verwendeten Punktesystems, nach dem diese bei betriebsbedingten Kündigungen die Sozialauswahl der zu kündigenden Beschäftigten vornimmt, |
4. |
im Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1.: dem Betriebsrat eine vollstreckbare Kurzausfertigung des Beschlusses zu erteilen. |
Begründung:
1. Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen des Einzelhandels mit etwa 200 Arbeitnehmern. Im Mai informierte sie den antragstellenden Betriebsrat darüber, dass sie beabsichtige, 15 Vollzeitstellen im Verkauf abzubauen. Im Rahmen der kurz darauf erfolgenden Anhörungen nach § 102 BetrVG stellte der Betriebsrat fest, dass die Arbeitgeberin für die soziale Auswahl der zu Kündigenden ein Punkteschema anwendete, nach dem die Schutzbedürftigkeit aller für eine Kündigung in Betracht kommenden Arbeitnehmer bewertet wurde. Für die Merkmale Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung (§ 1 Abs. 3 S. 1 KSchG) wurden bestimmte Punktwerte festgelegt, die aus der Tabelle gemäß Anlage BR 1 ersichtlich sind. Den 15 danach am wenigsten schutzbedürftigen Arbeitnehmern sollte betriebsbedingt gekündigt werden.
Bei der Erstellung des Punktesystems und damit der Festlegung der Gewichtung der Sozialauswahlmerkmale war der Betriebsrat nicht beteiligt. Dieser forderte die Arbeitgeberin daher mit E-Mail gemäß Anlage BR 2 auf, das Schema nicht auf Kündigungen anzuwenden, solange hierzu keine Zustimmung erteilt oder durch die Einigungsstelle ersetzt wäre. Dies lehnte die Arbeitgeberin mit E-Mail gemäß Anlage BR 3 ab mit dem Hinweis, dass das Punkteschema nur die konkret bevorstehende Personalreduzierung um 15 Arbeitnehmer betreffe und keine Geltung für die Zukunft beanspruche. Der Betriebsrat widersprach den Kündigungen unter Berufung auf § 102 Abs. 3 Nr. 1 und 2 BetrVG. Mittlerweile wurden 15 Kündigungen ausgesprochen; mehrere Kündigungsschutzverfahren sind noch anhängig.
2. Der Betriebsrat hat einen Anspruch darauf, dass die Arbeitgeberin die Anwendung des Punktesystems unterlässt, d.h. es unterlässt, aus einer Mehrzahl von Arbeitnehmern unter Zugrundelegung dieses Punktesystems Arbeitnehmer für betriebsbedingte Kündigungen auszuwählen. Der Anspruch ergibt sich aus dem verletzten Mitbestimmungstatbestand des § 95 Abs. 1 BetrVG. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann ein Betriebsrat die Verletzung echter Mitbestimmungsrechte, die die Entscheidung durch die Einigungsstelle vorsehen, mittels eines allgemeinen Unterlassungsanspruchs abwehren (grundlegend BAG 3.5.1994 – 1 ABR 24/93, AP Nr. 23 zu § 23 BetrVG 1972). Dies hat es ausdrücklich auch für § 95 BetrVG anerkannt (BAG 26.7.2005, NZA 2005, 1372). Die Voraussetzungen des Mitbestimmungsrechts nach § 95 Abs. 1 BetrVG sind erfüllt. Bei dem angewendeten Punktesystem handelt es sich um eine Auswahlrichtlinie i.S.d. Gesetzes. Das System dient dazu, nach bestimmten Regeln eine Auswahl für Kündigungen zu treffen. Ob der Arbeitgeber dasselbe Schema zukünftig wieder verwenden will, ist unerheblich (bestätigt durch BAG 24.10.2013 – 6 AZR 854/11, NZA 2014, 46, Rn 34). Es genügt ein über eine Einzelmaßnahme hinausgehender kollektiver Bezug, der schon dann gegeben ist, wenn einige Arbeitnehmer aus einer Mehrzahl von vergleichbaren Arbeitnehmern auszuwählen sind (BAG 26.7.2005, NZA 2005, 1372). Anderenfalls bestünde ein Widerspruch zu § 1 Abs. 4 KSchG, weil dann die dortige Einschränkung der Sozialauswahlüberprüfung regelmäßig leerlaufen würde.
Das Mitbestimmungsrecht ist auch nicht davon abhängig, ob der Arbeitgeber den Betriebsrat in die Erstellung des P...