Kurzbeschreibung
Muster aus: Verkehrsrecht auf einen Blick, 3. Aufl. 2020, Samimi (Hrsg.) (Deutscher Anwaltverlag)
Muster 3.9: Abgrenzung von fahrlässiger/vorsätzlicher Trunkenheitsfahrt
_________________________ (Amtsgericht)
_________________________ (Anschrift)
Per Telefax: _________________________
In der Strafsache gegen
_________________________ (Mandant)
Aktenzeichen: _________________________
darf zur Vorbereitung der terminierten Hauptverhandlung am _________________________ nach Rücksprache mit dem Mandanten wie folgt vorgetragen werden:1
Der Mandant bedauert den Vorfall außerordentlich. Weshalb er sich im angetrunkenen Zustand in das Kraftfahrzeug gesetzt hat, ist nicht mehr aufzuklären. Offensichtlich hat sich der Mandant in der zu sich genommenen Alkoholmenge verschätzt. Insbesondere ist nicht auszuschließen, dass der tatsächlich fahruntüchtige Mandant glaubte, noch fahrtüchtig zu sein.
Insofern ist nach Ansicht der Verteidigung vorliegend von einer fahrlässigen Zuwiderhandlung auszugehen,2 vor allem weil es keinen Erfahrungssatz des Inhalts gibt, dass sich ein Kraftfahrer bei einer BAK in bestimmter Höhe seiner Fahrunsicherheit stets bewusst sein müsse. Dies gilt nach Prüfung der einschlägigen Gerichtsentscheidungen sowohl für Blutkonzentrationen knapp über der Grenze der absoluten Fahruntüchtigkeit als auch für höhere Blutalkoholkonzentrationen. Beispielhaft sei auf die Entscheidungen des OLG Celle Beschl. v. 4.7.1996 – 3 Ss 126/96, zfs 1997, 152 (für 1,97 Promille) und des OLG Hamm Beschl. v. 3.2.1998 – 4 Ss 87/98, NZV 1998, 291 (für 2,21 Promille) verwiesen.
Die Annahme einer vorsätzlichen Tat allein auf die Höhe der Blutalkoholkonzentration des Mandanten zu stützen ist schlechterdings nicht möglich. Aus der Blutalkoholkonzentration allein kann nicht ohne Hinzutreten weiterer Umstände auf vorsätzliches Handeln geschlossen werden (Brandenburgisches OLG Beschl. v. 10.6.2009 – 2 Ss 17/09, MDR 2009, 1221).3
Rein vorsorglich sei darauf verwiesen, dass Feststellungen zu einem Verhalten des Mandanten nach dem Vorfall, nachdem er durch die Polizei gestellt worden ist, sowie zu dem Eindruck, den er hinsichtlich seiner Alkoholisierung auf den die Blutentnahme durchführenden Arzt gemacht hat, einen sicheren Schluss auf den Grad seiner Alkoholisierung nicht zu begründen vermögen (vgl. OLG Hamm Beschl. v. 5.12.1995 – 4 Ss 1289/95, zfs 1996, 234).
Auch das vermeintlich allgemeine Wissen von der berauschenden Wirkung des Alkohols, das durchaus in Teilen der Bevölkerung vorhanden sein dürfte, rechtfertigt nicht die Schlussfolgerung, im konkreten Fall habe der Mandant vor Fahrtantritt oder während der Fahrt erkannt, wegen der Menge des zuvor getrunkenen Alkohols fahruntüchtig zu sein (vgl. OLG Hamm Beschl. v. 8.4.1998 - 2 Ss 344/98, zfs 1998, 313). Darüber hinaus ist im konkreten Fall zweifelhaft, ob es dem Mandanten aufgrund seiner physischen und psychischen Konstitution zum Zeitpunkt des Fahrtantritts überhaupt noch möglich gewesen war, selbstkritische Überlegungen dazu anzustellen, dass er nun nicht mehr in der Lage ist, ein Fahrzeug im Straßenverkehr zu führen. Gerade bei längerem Alkoholkonsum bzw. nach dem Konsum einer größeren Alkoholmenge lässt die Selbstkritik mehr und mehr nach. Alkoholgenuss in einem Maße von über 1,1 Promille Alkoholmenge führt erfahrungsgemäß zu einem deutlichen Verlust an Kritikfähigkeit. Befindet sich ein Beschuldigter – wie hier die Mandantschaft – schon in Bereichen, bei denen man üblicherweise beginnt, eingeschränkte Schuldfähigkeit nicht mehr einfach von der Hand zu weisen, dann muss zu seinen Gunsten auch davon ausgegangen werden, dass er seine Fahrtüchtigkeit nicht mehr richtig einschätzen konnte (OLG Hamm, zfs 1998, 313; vgl. auch BGH Urt. v. 14.3.1991 – 4 StR 84/91, zfs 1991, 320).
Nach alledem dürfte allenfalls eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Trunkenheitsfahrt in Betracht zu ziehen sein.4
(Rechtsanwalt)