Leitsatz
Die Entscheidung des BGH betrifft die Bestimmung des Selbstbehalts des Unterhaltspflichtigen ggü. dem Ehegatten beim nachehelichen Unterhalt (vgl. insoweit zum Trennungsunterhalt die Entscheidung des BGH vom 19.11.2008 zum Geschäftszeichen XII ZR 129/06 zum HaufeIndex HI2097239).
Sachverhalt
Die Parteien stritten um den nachehelichen Unterhalt für die Zeit ab dem 15. August 2006. Ihre Ehe wurde durch Urteil vom 15. August 2006 geschieden. Die im Jahre 2005 geborene gemeinsame Tochter lebte im Haushalt ihrer Mutter. Der Beklagte, der während der Ehezeit vollzeitbeschäftigt war, bezog in der Zeit vom 19. Januar bis zum 7. September 2006 Krankengeld i.H.v. insgesamt 8.608,90 EUR. Für die Folgezeit wurde ihm das Krankengeld versagt, weil er eine Wiedereingliederung in das Erwerbsleben unentschuldigt nicht begonnen hatte. Nach Kündigung seines Arbeitsverhältnisses war der Beklagte seit dem 16. November 2006 arbeitslos. Seit dem 14. Dezember 2006 bezog er Arbeitslosengeld I i.H.v. 31,09 EUR täglich und seit Januar 2007 zusätzlich Wohngeld i.H.v. 35,00 EUR monatlich. Für das gemeinsame Kind war der Unterhaltsanspruch i.H.v. 100 % der früheren RegelbetragVO tituliert.
Die Klägerin bezog seit Juli 2005 Arbeitslosengeld II. Mit Vereinbarung vom 22. Januar 2007 zwischen dem Leistungsträger und der Klägerin wurden die übertragenen Unterhaltsansprüche auf die Klägerin zurückübertragen.
Das AG - FamG - hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerin einen Unterhaltsrückstand i.H.v. 585,00 EUR (6,5 Monate × 90,00 EUR) sowie für die Zeit ab März 2007 den beantragten nachehelichen Unterhalt i.H.v. 90,00 EUR monatlich zu zahlen. Das OLG hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Hiergegen richtete sich die Revision des Beklagten, mit der er weiterhin vollständige Klageabweisung begehrte.
Entscheidung
Die Revision erwies sich hinsichtlich des Unterhaltsanspruchs ab Januar 2008 für begründet und führte insoweit zur Abweisung der Klage. Der BGH teilte die Auffassung des OLG, wonach der Beklagte, der bis zum 7. Dezember 2006 Krankengeld i.H.v. durchschnittlich 1.113,00 EUR bezogen hatte, auch für die Zeit danach fiktiv so zu behandeln war, als ob er dem Arbeitsmarkt wieder zur Verfügung stünde. Danach könne er ein monatliches Einkommen erzielen, das sein früheres monatliches Krankengeld i.H.v. 1.113,00 EUR erreiche. Dieser Betrag übersteige jedenfalls die Summe der gegenwärtig vom Beklagten bezogenen Einkünfte aus Arbeitslosengeld I und aus dem Wohngeld.
Aus seinem geringen unterhaltsrelevanten Einkommen von monatlich 1.113,00 EUR sei er erkennbar nicht in vollem Umfang für die Unterhaltsansprüche des gemeinsamen Kindes und der Klägerin leistungsfähig. Die Unterhaltsansprüche der Klägerin und des gemeinsamen minderjährigen Kindes seien für die Zeit bis Ende 2007 nach § 1609 Abs. 2 BGB a.F. gleichrangig. Der Kindesunterhalt sei deswegen im Rahmen der Leistungsfähigkeit für diese Ansprüche nicht vorab abzusetzen. Stattdessen seien die Unterhaltssprüche der Klägerin im Wege einer Mangelfallberechnung zu ermitteln.
Dem Beklagten sei ein Selbstbehalt von 935,00 EUR monatlich zuzugestehen, der zwischen dem notwendigen Selbstbehalt eines nichterwerbstätigen Unterhaltspflichtigen und dem angemessenen Selbstbehalt liege. Es verbleibe danach eine Verteilungsmasse von 178,00 EUR. Auch wenn dieser verfügbare Anteil des Einkommens im Verhältnis der Einsatzbeträge auf das minderjährige Kind und die Klägerin als geschiedene Ehefrau aufgeteilt werde, bleibe für diese Zeit eine Leistungsfähigkeit des Beklagten jedenfalls in Höhe des von der Klägerin beantragten monatlichen Unterhalts i.H.v. 90,00 EUR.
Für die Zeit ab Januar 2008 sehe die durch das UÄndG geänderte Vorschrift des § 1609 BGB einen Vorrang des Unterhaltsanspruchs eines minderjährigen Kindes vor. Außerdem müsse dem Unterhaltspflichtigen nach ständiger Rechtsprechung des Senats ein Selbstbehalt verbleiben, der den eigenen notwendigen Bedarf abdecke und sich zusätzlich nach der konkreten Unterhaltspflicht bemesse. Dem Unterhaltspflichtigen müsse schon aus verfassungsrechtlichen Gründen jedenfalls ein Betrag verbleiben, der seinen eigenen Lebensbedarf nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen sicherstelle. Jedenfalls ggü. dem Anspruch der Klägerin auf nachehelichen Unterhalt müsse dem Beklagten ein Selbstbehalt verbleiben, der den notwendigen Selbstbehalt ggü. dem Unterhaltsanspruch des gemeinsamen minderjährigen Kindes nicht unerheblich übersteige. Der BGH kam zu dem Ergebnis, dass für die Zeit ab Januar 2008 der Beklagte zu Unterhaltsleistungen an die Klägerin nicht mehr in der Lage sei. Hierbei ging er von Einkünften aufseiten des Beklagten i.H.v. 1.113,00 EUR monatlich aus und errechnete wegen des Vorrangs des Kindesunterhalts ab 1.1.2008 und einen Unterhaltsanspruch der gemeinsamen Tochter i.H.v. 202,00 EUR ein verbleibendes verfügbares Einkommen des Beklagten i.H.v. 911,00 EUR monatlich.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 19.11.2008, XII ZR 51/08