1 Leitsatz
Wenn die Kontenentwicklung mit den in der Jahresabrechnung dargestellten Einnahmen und Ausgaben nicht in Einklang zu bringen ist, ist dies als Indiz dafür zu bewerten, dass in der Jahresabrechnung tatsächlich die geflossenen Einnahmen oder Ausgaben nicht vollständig berücksichtigt oder falsch eingestellt wurden.
2 Normenkette
§ 28 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 WEG
3 Das Problem
Mit Schreiben vom 11.8.2021 lädt die Verwaltung zur Versammlung am 9.9.2021 ein. Bei der Versammlung werden unter TOP 2 die Nachschüsse bzw. Anpassung der beschlossenen Vorschüsse bestimmt. Gegen diesen Beschluss geht Wohnungseigentümer K vor, weil er anhand des Vermögensberichts der Ansicht ist, die Jahresabrechnung könne nicht richtig sein.
4 Die Entscheidung
Dies sieht das LG auch so! Der Beschluss zu TOP 2 sei für ungültig zu erklären. In der Jahresabrechnung sei unter anderem die Kontenentwicklung fehlerhaft dargestellt worden. Wenn die Kontenentwicklung mit den in der Jahresabrechnung dargestellten Einnahmen und Ausgaben nicht in Einklang zu bringen sei, sei dies als Indiz dafür zu bewerten, dass in der Jahresabrechnung tatsächlich die geflossenen Einnahmen oder Ausgaben nicht vollständig berücksichtigt oder falsch eingestellt worden seien. Es sei auch davon auszugehen, dass nicht vollständig oder richtig eingestellte Einnahmen bzw. Ausgaben sich auf die "Abrechnungsspitzen" auswirkten. Denn die nicht eingestellten Einnahmen oder Ausgaben seien auch nicht verteilt worden. Dieser Anschein greife, soweit die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer den Widerspruch zwischen den dargestellten Einnahmen und Ausgaben sowie der Kontenentwicklung und dessen fehlende Auswirkung auf die Abrechnungsspitze nicht nachvollziehbar erklären könne. So liege es.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall wird die Frage gestellt, ob eine fehlerhafte Darstellung der Kontenentwicklung, also ein Bestandteil des Vermögensberichts, den Nachschuss-Beschluss angreifbar macht.
Nachschuss-Beschluss
Der Nachschuss-Beschluss beruht auf der Jahresabrechnung. Werden dort Einnahmen oder Ausgaben nicht berücksichtigt, sind die Nachschüsse – und die möglicherweise zu bestimmenden Anpassungen – falsch. Das LG schließt auf Fehler bei der Verbuchung der Einnahmen und Ausgaben, weil es den Vermögensbericht heranzieht und danach die Einnahmen und Ausgaben nicht versteht. Es meint, die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer müsse das erklären. Wenn nicht, sei ein Fehler zu vermuten. Hinter dieser Überlegung steckt die Idee der sekundären Darlegungslast. Das überzeugt aber nicht. Die Darlegungs- und Beweislast, dass der Beschluss einer ordnungsmäßigen Verwaltung widerspricht, trägt die klagende Partei. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer trifft in der Regel keine sekundäre Darlegungslast. Anders kann es sein, wenn diese über ein relevantes Sonderwissen verfügt. Dafür ist nichts ersichtlich. Es wäre daher meines Erachtens an dem klagenden Wohnungseigentümer gewesen, anzugeben, in welcher (behaupteten) Höhe die Nachschüsse falsch errechnet worden sind.
Was ist für die Verwaltungen besonders wichtig?
Die Verwaltung muss "wie aus der Kanone geschossen" angeben können, welche Einnahmen und Ausgaben es gab und wo sich die Belege finden. Dass die Verwaltung dazu im Fall nicht in der Lage war, lässt Böses ahnen. Jeder Profiverwalter muss auf den Eurocent genau wissen, woher und wohin Mittel gehen. Er ist der Verwalter fremden Geldes und als solcher verpflichtet, peinlich genau zu sein.
6 Entscheidung
LG Aurich, Urteil v. 2.11.2023, 1 S 58/23