Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Keine Verwirkung des Störbeseitigungsanspruchs (hier: bei Geltendmachung nach mehr als 10 Jahren!)
Normenkette
§ 14 Nr. 1 WEG, § 22 WEG, § 242 BGB, § 1004 BGB
Kommentar
1. Der Einbau eines Dreh-Kippfensters anstelle eines bisherigen Kippfensters stellt eine nachteilige bauliche Veränderung im Sinne des § 22 Abs. 1 WEG dar, die der Zustimmung aller Wohnungseigentümer bedarf. Ursprünglich bestand das streitige Fenster als feststehendes, nicht zu öffnendes undurchsichtiges Glasfenster; die neuerliche bauliche Umgestaltung des Gemeinschaftseigentums führte nun dazu, dass bei Öffnung des Fensters Einsehbarkeit einer Nachbarwohnung mit Terrasse bestand. Zuvor hatte das undurchsichtig verglaste Küchenfenster ersichtlich die Funktion, eine solche Einsehbarkeit auszuschließen und die gegenüberliegenden Terrassenwohnungen vor einer Einsicht aus dieser Wohnung zu schützen.
2. Der jetzige Beseitigungsanspruch war auch nicht wegen Verwirkung oder Rechtsmissbrauchs ausgeschlossen (selbst bei erstmaliger Geltendmachung nach mehr als 10 Jahren). Von einer Anspruchsverwirkung ist neben dem "Zeitmoment" anerkanntermaßen auch auf hinzutretende besondere Umstände abzustellen, aufgrund derer die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt, so z.B., wenn ein Anspruchsgegner nach den positiven Handlungen und Äußerungen eines Berechtigten darauf vertrauen durfte, dieser werde seinen Anspruch auch in Zukunft nicht mehr geltend machen (vgl. auch OLG Köln, WE 97, 431; BayObLG, WM 97, 190). Im vorliegenden Fall verneinte das LG rechtsirrtumsfrei solche Umstände.
Link zur Entscheidung
( OLG Köln, Beschluss vom 20.05.1998, 16 Wx 80/98= NZM 6/1999, 263)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer
Anmerkung:
Bisher ging vereinzelt zumindest landgerichtliche Rechtsprechung davon aus, dass im Falle eigenmächtig vorgenommener baulicher Veränderungen im Gemeinschaftseigentum spätere Beseitigungsansprüche anderer Eigentümer zumindest dann als verwirkt anzusehen seien, wenn solche Ansprüche in Kenntnis der Änderungen etwa 4-6 Jahre nicht verfolgt wurden bzw. in dieser Zeit keinerlei möglicher Widerspruch erfolgte. Auch m.E. ist dann bei von Anfang an unschwer bzw. ganz offensichtlich erkennbaren eigenmächtigen Veränderungen auch eine Vertrauensposition zugunsten des ursprünglichen Störers entstanden, nach dieser Zeit nicht mehr mit Beseitigungs- und Wiederherstellungsansprüchen des ursprünglichen baulichen Zustandes rechnen zu müssen. Nach widerspruchsloser Duldung einer Änderung von über 10 Jahren (wie vorliegend) würde ich stets von einer Verwirkung erst nach dieser Zeit verfolgter Gegenansprüche ausgehen. Hinsichtlich möglicher Ansprüche auf erstmalige plangerechte Erstellung insbesondere des Gemeinschaftseigentums mag hier demgegenüber durchaus eine längere Frist in Betracht zu ziehen sein, ebenfalls etwa auch bei erfolgten Nutzungsänderungen von Sondereigentum mit späterer Antragstellung auf Unterlassung gesetzes- oder vereinbarungswidriger Nutzungen, nicht allerdings bei erkennbaren baulichen Veränderungen.