Leitsatz
Beim Offenlassen von Fragen in der Schadensanzeige kommt Leistungsfreiheit des Versicherers im allgemeinen nur dann in Betracht, wenn der Versicherer Nachfrage hält und der VN auch darauf nicht reagiert.
Normenkette
§ 6 VVG, § 7 I Abs. 2 AKB
Sachverhalt
Der Kl. hatte in der Schadensanzeige eines am versicherten Pkw erlittenen Kaskoschadens die Frage nach Alkoholgenuss unbeantwortet gelassen. Der bekl. Kaskoversicherer berief sich auf Obliegenheitsverletzung und lehnte Entschädigung des Schadens ab.
Das LG wies die Klage zurück. Die Berufung des Kl. hatte Erfolg.
Entscheidung
Das OLG führte aus, Leistungsfreiheit des Bekl. lasse sich entgegen der Auffassung des LG nicht aus der Nichtbeantwortung der Frage nach Alkohol herleiten. Zwar berufe sich das LG zutreffend auf ältere Rechtsprechung des 5. Zivilsenats des OLG Köln (VersR 90, 1225 = r+s 90, 43) und des OLG Hamm (VersR 85, 387), wonach auch die Nichtbeantwortung von Fragen in der Schadensanzeige eine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit darstellen kann. Nach neuerer Rechtsprechung, der sich der Senat jedenfalls für den vorliegenden Fall anschließe, komme Leistungsfreiheit des Versicherers beim Offenlassen von Fragen im allgemeinen nur dann in Betracht, wenn der Versicherer Nachfrage hält und der VN auch darauf nicht reagiert (OLG Hamm, VersR 96, 53).
Der Wandel der Rechtsprechung sei veranlasst und gerechtfertigt durch die neuere Rechtsprechung des BGH zur Risikoprüfungsobliegenheit des Versicherers im Rahmen der vorvertraglichen Anzeigepflicht und zum Unterlassen gebotener Rückfragen bei unklarer Antragslage (BGH, VersR 92, 603 = r+s 92, 213 und st. Rspr.).
Die Parallelen zur Verletzung von Aufklärungsobliegenheiten durch den VN nach dem Versicherungsfall seien offenkundig und ließen eine Gleichstellung geboten erscheinen. Dem Bekl. habe vor Augen gestanden, dass der Kl. seiner Aufklärungsobliegenheit bezüglich der Frage nach Alkoholgenuss noch nicht genügt hatte. Die Frage nach Alkoholgenuss war vielmehr offengeblieben. Der Bekl. habe nun nicht gewusst, ob der Kl. Alkohol getrunken hatte oder nicht. Das sei aber für ihn ersichtlich wesentlich gewesen. Der Bekl. habe auch nicht gewusst, aus welchem Grund die Beantwortung der Frage durch den Kl. unterblieben war. Es gebe neben anderen auch Fälle, in denen die Frage z. B. schlicht übersehen worden ist. Wenn der Versicherer die fehlende Beantwortung der Frage in der Schadensanzeige unter den hier vorliegenden Umständen ohne Aufklärungsversuch auf sich beruhen lasse und keine Nachfrage halte, könne er sich im Streitfall nicht auf Obliegenheitsverletzung berufen.
Link zur Entscheidung
OLG Köln, Urteil vom 21.01.1997, 9 U 65/96