rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Versicherung. Schadenanzeige. Obliegenheit. Leistungsfreiheit
Leitsatz (amtlich)
Der Versicherer wird von der Leistung frei, wenn er trotz Nachfrage auf offengelassene Angaben in der Schadensanzeige keine Antwort erhält. Hält er keine Nachfrage, kann er sich nicht auf eine Obliegenheitsverletzung zur Begründung seiner Leistungsfreiheit berufen.
Normenkette
VVG § 61; AKB § 7 I 2 S. 3
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 22.02.1996; Aktenzeichen 24 O 228/95) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 22. 2. 1996 verkündete Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 24 O 228/95 – teilweise geändert und wie folgt neu gefaßt: Unter Abweisung des weitergehenden Zinsanspruchs wird der Beklagte verurteilt, an den Kläger 20.922,15 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 10. 8. 1995 zu zahlen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung des Klägers ist bis auf einen Teil des Zinsanspruchs begründet.
Die Klageabweisung durch das Landgericht ist in der Sache nicht gerechtfertigt.
Der Beklagte ist verpflichtet, an den Kläger aus der für den PKW Alfa Lancia, amtliches Kennzeichen …, abgeschlossenen Vollkaskoversicherung wegen des Schadensfalles vom 11. 8. 1994 in B.-K. eine Entschädigung in Höhe von 20.922,15 DM nebst Zinsen zu zahlen.
1.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil der Kläger als Versicherter in der Schadensanzeige vom 12. 8. 1994 „die Fragen nach Alkoholgenuß, Entnahme einer Blutprobe und einem entstandenen Fremdschaden nicht beantwortet hat.”
Darauf läßt sich die Klageabweisung jedoch nicht stützen.
a)
Bei der Frage nach Fremdschaden ist in dem Schadenanzeigeformular durch Fettdruck ausdrücklich vermerkt: „Die Angaben sind nur insoweit zu machen, als dies ohne Befragung des Geschädigten möglich ist.”
Daß dem Kläger dies am 12. 8. 1994, d. h. anderentags nach dem Unfall, bereits möglich gewesen wäre, ist weder vorgetragen noch sonstwie ersichtlich. Dafür spricht auch nichts. Eine Obliegenheitsverletzung des Klägers liegt insoweit nicht vor.
b)
In der Schadenanzeige ist zudem nach der Entnahme einer Blutprobe garnicht gefragt, sondern lediglich nach deren Ergebnis, das der Kläger am 12. 8. 1994 jedoch noch garnicht kennen konnte. Der Untersuchungsbefund des Instituts für Rechtsmedizin der Universität K. (O,56 Promille) datiert erst vom 15. 8. 1994. Eine Obliegenheitsverletzung des Klägers liegt hier ebensowenig vor.
c)
Leistungsfreiheit des Beklagten läßt sich im Ergebnis entgegen der Auffassung des Landgerichts auch nicht aus der nicht beantworteten Frage nach Alkoholgenuß herleiten, wo weder ja noch nein angekreuzt worden ist.
Zwar beruft sich das Landgericht zutreffend auf ältere Rechtsprechung des 5. Zivilsenats des OLG Köln (r + s 90, 43, 44) und des OLG Hamm (VersR 85, 387), wonach auch die Nichtbeantwortung von Fragen in der Schadenanzeige eine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit darstellen kann.
Nach neuerer Rechtsprechung, der sich der Senat jedenfalls für den vorliegenden Fall anschließt, kommt Leistungsfreiheit des Versicherers beim Offenlassen von Fragen im allgemeinen nur dann in Betracht, wenn der Versicherer Nachfrage hält und der Versicherungsnehmer auch darauf nicht reagiert (OLG Hamm VersR 96, 53).
Der Wandel der Rechtsprechung ist veranlaßt und gerechtfertigt durch die neuere Rechtsprechung des BGH zur Risikoprüfungsobliegenheit des Versicherers im Rahmen der vorvertraglichen Anzeigepflicht und zum Unterlassen gebotener Rückfragen bei unklarer Antragslage (vgl. die grundlegende Entscheidung BGH R + S 92, 213 = VersR 92, 603 und ständig).
Die Parallelen zur Verletzung von Aufklärungsobliegenheiten durch den Versicherungsnehmer (hier Versicherten) nach dem Versicherungsfall sind offenkundig und lassen eine Gleichstellung geboten erscheinen. Dem Beklagten stand vor Augen, daß der Kläger seiner Aufklärungsobliegenheit bezüglich der Frage nach Alkoholgenuß noch nicht genügt hatte. Die Frage nach Alkoholgenuß war vielmehr offen geblieben. Der Beklagte wußte nun nicht, ob der Kläger Alkohol getrunken hatte oder nicht. Das war aber für ihn ersichtlich wesentlich. Der Beklagte wußte aber auch nicht, aus welchem Grund die Beantwortung der Frage nach Alkoholgenuß durch den Kläger unterblieben war. Es gibt neben anderem auch Fälle, in denen die Frage z. B. schlicht übersehen worden ist. Wenn der Versicherer die fehlende Beantwortung der Frage in der Schadenanzeige unter den hier vorliegenden Umständen ohne Aufklärungsversuch auf sich beruhen läßt und keine Nachfrage hält, kann er sich im Streitfall nicht auf Obliegenheitsverletzung berufen.
Ein weiteres kommt hinzu:
Obliegenheitsverletzung wegen Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 7 I Abs. 2 Satz 3 AKB) setzt auf Seiten des Versicherers ein Aufklärungsinteresse und Aufklärungsbedürfnis voraus. Die Frage nach Alkoholgenuß ist eine Frage, auf deren Beantwortung der Beklagte e...