Rz. 21
Wesentliche Grundgedanken der gesetzlichen Regelung sind nach der Rechtsprechung solche, die nicht nur auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruhen, sondern eine Ausprägung des Gerechtigkeitsgebots darstellen. Dies wird vielfach kritisiert. Gemeint ist, dass der Bezugsnorm ein Gerechtigkeitsgehalt zukommen muss. Nur dann kann in einem zweiten Schritt die Interessenabwägung erfolgen. Hier reicht das Spektrum von einer Missachtung des Vertragszwecks bis zu einer nicht ausreichenden Berücksichtigung der Interessen des anderen Teils. Zulässig ist dagegen eine unerhebliche Beeinträchtigung der Interessen des Kunden oder eine ausreichende Kompensation im Rahmen zusammengehöriger Regelungssachverhalte (siehe Vor § 307 BGB Rdn 55). Auch ein überwiegendes oder gleichwertiges Interesse des Verwenders kann eine Klausel rechtfertigen. Das Rationalisierungsinteresse ist hierbei nicht zugunsten des Verwenders zu berücksichtigen, da die gesetzliche Regelung gleichermaßen den typischen Regelfall im Auge hat.
Rz. 22
Abs. 2 Nr. 2 stellt auf eine den Vertragszweck gefährdende Einschränkung wesentlicher Rechte und Pflichten ab. Hierdurch wird kein Gegensatz zu Nr. 1 aufgezeigt, sondern lediglich ein besonderer Aspekt in den Vordergrund gerückt: die Kardinalpflicht. Unerheblich ist, ob eine Hauptleistungspflicht oder eine Nebenpflicht vorliegt oder der Kernbereich der Interessen wenig oder der Randbereich stark beeinträchtigt wird, ob ein geregelter Vertragstyp vorliegt oder ein ungeregelter. Vielfach wird hier der Gedanke einer Aushöhlung vorliegen, eines abstrakt widersprüchlichen Verhaltens. Generell ist wesentlicher Grundgedanke der gesetzlichen Regelung, dass eine Verpflichtung zum Schadensersatz regelmäßig nur bei schuldhaftem Verhalten besteht.
Rz. 23
Natur des Vertrags, wesentliche Rechte und Pflichten und Vertragszweck kennzeichnen einen Gerechtigkeitsgehalt der Bezugsnorm ohne materielle Unterscheidungskraft. Da diese Beurteilung das Gericht von Amts wegen zu treffen hat, sind Fragen der Beweislast nicht aufgeworfen.
Rz. 24
Der Grundtatbestand des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB ist sinnvollerweise nach einer Prüfung des (scheinbar) spezielleren Abs. 2 heranzuziehen. Eine Benachteiligung entgegen den Geboten von Treu und Glauben, die nicht unter Abs. 2 fällt, ist kaum vorstellbar. Insoweit kommt Abs. 1 S. 1 eine klarstellende Funktion zu. Die "im Zweifel"-Regelung in Abs. 2 ist damit keine enumerative und abschließende Aufzählung, sondern eine nähere Ausformulierung des Grundtatbestandes. Dass in Abs. 1 "die Einschränkung" "im Zweifel" fehlt, hat materiell-rechtlich keine Bedeutung. Abs. 2 ist auch insoweit nur eine nähere Ausformulierung einer durchzuführenden Interessenabwägung an den Maßstäben gesetzlicher Interessenbewertung.
Rz. 25
Das Transparenzgebot in § 307 Abs. 1 S. 2 BGB ist ebenfalls nur ein Beispielsfall der Unangemessenheit (vgl. hierzu Stichworte "Transparenzgebot", "Salvatorische Klauseln"). Dies zeigt sich auch im Wortlaut: "...kann sich auch daraus ergeben". Da bei Verstoß gegen das Transparenzgebot automatisch eine Rechtslagendivergenz vorliegt, denn nach den Grundpfeilern des Vertragsrechts sind Rechte und Pflichten klar und übersichtlich zu vereinbaren, gibt es auch eine Beschränkung der Inhaltskontrolle. § 307 Abs. 3 S. 2 BGB hat daher eine klarstellende Funktion.