Hella Slegt-Moens, Arlette R. van Maas de Bie
Rz. 69
Im niederländischen gesetzlichen Erbrecht ist geregelt, was mit den Gütern und Schulden einer Person geschieht, wenn diese Person verstirbt. Dieses Recht gilt, wenn der Erblasser ohne Testament verstirbt. Es wird dann von der "gesetzlichen Erbfolge" gesprochen. Das gesetzliche Erbrecht ist in Buch 4 BW geregelt. Es basiert auf den durch das Gesetz anerkannten familienrechtlichen Beziehungen mit dem Erblasser. Insbesondere die Ehe oder die registrierte Partnerschaft und die Blutverwandtschaft bis zum sechsten Grad spielen dabei eine wichtige Rolle.
Rz. 70
Das niederländische Erbrecht räumt dem überlebenden Ehegatten oder registrierten Partner im Verhältnis zu den Kindern eine starke Position ein. Wenn im Folgenden von "Ehe" bzw. "Ehegatte" die Rede ist, umfasst dies auch die registrierte Partnerschaft bzw. den registrierten Partner. Die Ehe und die registrierte Partnerschaft sind in den Niederlanden für beide gleichgeschlechtliche Beziehungen offengestellt.
Rz. 71
Im gesetzlichen Erbrecht wird den zusammenlebenden, nicht verheirateten und nicht registrierten Partnern keine Rechnung getragen. Diese Partner haben meistens einen notariell beurkundeten Lebensgemeinschaftsvertrag geschlossen, sie erben nach dem gesetzlichen Erbrecht nicht voneinander. Die von Tisch und Bett getrennten Ehegatten beerben sich nicht gegenseitig, obwohl das Eheband juristisch noch aufrechterhalten ist.
Rz. 72
Erben kann nur, wer den Erbfall erlebt hat (Art. 4:9 BW). Wenn zwei Personen bei einer Katastrophe gleichzeitig ums Leben kommen, ist es u.U. wichtig zu wissen, wer als Erster verstorben ist. Wenn dies nicht zu beweisen ist, wird angenommen, dass die Personen gleichzeitig verstorben sind und sie voneinander nicht erben. Dies ist die sog. Commorientenregelung.
Das ungeborene Kind, mit dem die Frau schwanger ist, wird erbrechtlich als geboren behandelt, wenn es lebend zur Welt kommt (Art. 1:2 BW). Kommt das Kind tot zur Welt, wird es so behandelt, als ob es nie gelebt hätte.
Rz. 73
Der Blutverwandtschaft gleichgestellt sind das anerkannte Kind und das Adoptivkind. Nach niederländischem Recht braucht der Mann, der das Kind anerkennt, nicht auch der biologische Vater zu sein. Das niederländische Recht kennt nur die sog. starke Adoption. Sowohl die Anerkennung als auch die Adoption begründen familienrechtliche Beziehungen und haben demzufolge erbrechtliche Konsequenzen. Seit dem 1.1.1998 kann die Vaterschaft eines Mannes gerichtlich festgestellt werden, wenn er der Erzeuger des Kindes ist oder wenn er als Lebenspartner der Mutter einer Handlung, die die Zeugung des Kindes zur Folge haben kann, zugestimmt hat. Die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft kann auch nach dem Tode des leiblichen Vaters erfolgen. Die Feststellung führt zu familienrechtlichen Beziehungen, die auf den Zeitpunkt der Geburt zurückwirken. Pflegekinder, Stiefkinder und biologische Kinder, die nicht anerkannt sind und deren Vaterschaft nicht gerichtlich festgestellt ist, sind als Erben ausgeschlossen, da keine Blutverwandtschaft besteht.