Entscheidungsstichwort (Thema)
Erinnerung gegen die Vergütungsfestsetzung im PKH-Verfahren
Leitsatz (redaktionell)
- Bei der Festsetzung der PKH-Vergütung ist eine nicht gezahlte Geschäftsgebühr für die Tätigkeit im Vorverfahren nicht auf die Verfahrensgebühr anzurechnen.
- Vielmehr ist die Geschäftsgebühr nur anzurechnen, soweit sie gezahlt ist und soweit die Zahlung den Differenzbetrag zwischen der ohne PKH entstandenen (höheren) Gebühr und der Gebühr im PKH-Verfahren übersteigt.
- Auf die Frage, ob § 15a RVG die bestehende Rechtslage klargestellt oder geändert hat, kommt es nicht an.
- Bei einer mittellosen Partei ist es ernstlich zweifelhaft, ob eine „normale” Geschäftsgebühr entstanden ist, wenn ein Anspruch auf Beratungshilfe bestand bzw. bei Antragstellung bestanden hätte.
Normenkette
RVG §§ 2, 13, 15a, 45
Tatbestand
Streitig ist, ob bei der Festsetzung der Prozesskostenhilfevergütung eine nicht gezahlte Geschäftsgebühr für die Tätigkeit im Vorverfahren auf die Verfahrensgebühr anzurechnen ist.
Das Gericht hatte dem Kläger in dem Klageverfahren wegen Rückforderung des Kindergeldes (Aktenzeichen 7 K 234/09) Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung des Erinnerungsführers bewilligt. Der Erinnerungsführer hatte den Kläger bereits vorgerichtlich im Einspruchsverfahren vertreten. Der Kläger bezog sowohl während der vorgerichtlichen als auch während der gerichtlichen Tätigkeit des Erinnerungsführers nur Einkünfte in unpfändbarer Höhe. Beratungshilfe wurde nicht beantragt. Der Streitwert des Klageverfahrens betrug € 6.940. Nach Erledigung der Hauptsache (im Billigkeitswege) legte der Berichterstatter dem Kläger die Kosten des Verfahrens auf.
Mit Schreiben vom … beantragte der Erinnerungsführer die Festsetzung seiner Vergütung im Rahmen der PKH. Er setzte dabei für die Verfahrensgebühr den 1,3-fachen Satz der im PKH-Verfahren gemäß § 49 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) ermäßigten Gebühr von € 230, mithin € 299 (zuzüglich Umsatzsteuer) an. Im Einzelnen wird auf den Antrag Bezug genommen. Der Erinnerungsführer hat keine anderweitigen Zahlungen für seine (vorgerichtliche und gerichtliche) Tätigkeit erhalten.
Abweichend hiervon setzte der Urkundsbeamte mit Beschluss vom … die Verfahrensgebühr (ausgehend von einem Satz von 1,6) vermindert um die Anrechnung einer Geschäftsgebühr mit einem Satz von 0,65 der Gebühr gemäß § 49 RVG, d.h. im Ergebnis mit einem Satz von 0,95 von € 230, mithin € 218,50 (zuzüglich Umsatzsteuer) fest. Er erläuterte: „Nach den Vorbemerkungen zu Teil 3 VV-RVG (Abs. 4) ist grundsätzlich die Hälfte der entstandenen Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr anzurechnen, maximal ein Anteil von 75 v.H.. Die Anrechnung wird im Übrigen durch die Vorschrift des § 15a Abs. 2 RVG nicht gehindert. Die in den Vorbemerkungen zu Teil 3 VV-RVG enthaltenen Anrechnungsbestimmungen beziehen sich auf das Innenverhältnis zwischen Anwalt und Mandant und in diesem Verhältnis ist die Staatskasse nicht Dritter im Sinne des § 15a Abs. 2 RVG, weil sie insoweit an die Stelle des Mandanten tritt” (Hinweis auf die Beschlüsse des LAG Düsseldorf vom 2.11.2007, 13 Ta 181/07, juris, des OLG Stuttgart vom 15.1.2008, 8 WF 5/08, JurBüro 2008, 245, des Hamburgischen OVG vom 5.11.2008, 4 So 134/08, NJW 2009, 1432 und des OVG Lüneburg vom 27.10.2009 13 OA 134/09, a.a.O.). „Somit kommt es nicht darauf an, ob die Staatskasse Zahlungen auf eine Geschäftsgebühr im Einspruchsverfahren geleistet hat. Entscheidend ist vielmehr, dass eine solche Gebühr grundsätzlich entstanden ist (vgl. Beschluss des BGH vom 22.1.2008 - VIII ZB 57/07, FamRZ 2008, 878).”
Mit seiner hiergegen gerichteten Erinnerung macht der Erinnerungsführer geltend, eine Anrechnung der Geschäftsgebühr sei nicht zulässig. Der Gesetzgeber habe durch die Einfügung von § 15a Abs. 1 RVG die bereits unter Geltung des § 118 BRAGO und nachfolgend unter Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG bestehende Gesetzeslage klargestellt. Zudem sei § 55 Abs. 5 Satz 2 RVG betreffend die Berücksichtigung von Zahlungen bei der Festsetzung der dem beigeordneten oder bestellten Rechtsanwalt aus der Staatskasse zustehenden Vergütung geändert worden. Mit diesen Änderungen würden die Auswirkungen der Rechtsprechung des BGH und vieler OLG zur Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr und zu deren Berücksichtigung im Verhältnis gegenüber der Staatskasse wieder rückgängig gemacht. Darüber hinaus habe der BGH mit Beschluss vom 2. September 2009 (II ZB 35/07, NJW 2009, 3101) entschieden, dass § 15a RVG auch für Altfälle anzuwenden sei.
Des Weiteren begehrt der Erinnerungsführer nunmehr die Festsetzung der Verfahrensgebühr mit dem 1,6 fachen Satz (mithin mit € 368 zuzüglich € 69,92 Umsatz-steuer, ohne Anrechnung einer Geschäftsgebühr).
Die Erinnerungsgegnerin hat der Erinnerung nicht abgeholfen und beantragt, sie zurückzuweisen. Da der Bevollmächtigte bereits im Vorverfahren mitgewirkt habe, sei eine Geschäftsgebühr entstanden, die gemäß Abs. 4 der Vorbemerkung 3 zu Teil 3 zum VV zur Hälfte, höchstens mit einem...