vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Mehrmütterorganschaft und rückwirkende Organschaft umsatzsteuerrechtlich nicht möglich
Leitsatz (redaktionell)
- Zum Begriff des Unternehmers nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG.
- USt-rechtlich ist eine sog. Mehrmütterorganschaft mit mehreren Organgesellschaften als Muttergesellschaften nicht möglich. Umsatzsteuerlich kann nur ein einzelner Unternehmer Organträger sein, nicht jedoch eine Mehrzahl von Personen oder Gesellschaftern.
- Eine Organschaft kann nicht rückwirkend begründet werden.
- Körperschaften, in denen lediglich einzelne Tätigkeitsbereiche gemeinnütziger Körperschaften zur gemeinsamen Aufgabenwahrnehmung zusammengefasst werden, fallen nicht in den Anwendungsbereich des § 57 Abs. 2 AO. Demgemäß ist eine GmbH, die Dienstleistungen für gemeinnützige Organisationen erbringt, kein steuerbegünstigter Dachverband.
- Das Bestätigungsschreiben eines Steuerberaters, in dem er die Ergebnisse einer Schlussbesprechung zusammenfasst, entfaltet keine Bindungswirkung, insbesondere kann ein solches Schreiben keine verbindliche Zusage ersetzen.
Normenkette
UStG § 2 Abs. 1, § 4 Nrn. 16, 18; 6. EG-Richtlinie; AO § 57 Abs. 2
Streitjahr(e)
1995
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Festsetzung der Umsatzsteuer 1995.
Die Klägerin ist eine GmbH, die 1986 gegründet wurde. Gründungsgesellschafter der Klägerin waren O und T.
Nach § 2 Abs. 1 ihres ursprünglichen Gesellschaftsvertrags vom 03.11.1986 war Gegenstand des Unternehmens „die Verwaltung von gemeinnützigen Altenheimen, Senioren-Zentren und Pflegeheimen aller Art und alle damit im weitesten Sinne zusammenhängenden Geschäfte einschließlich zu erbringender Dienstleistungen”.
Mit Bescheinigung vom 02.02.1987 erkannte der Beklagte die Klägerin vorläufig als gemeinnützig an.
Im Rahmen einer für die Jahre 1987 und 1988 durchgeführten Außenprüfung wurde die Klägerin nicht als gemeinnützig anerkannt. Der Beklagte setzte deshalb gegen die Klägerin für die Jahre 1987 und 1988 Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt…DM fest. Zur Begründung führte der Prüfer aus, die Klägerin habe weder ausschließlich noch unmittelbar steuerbegünstigten Zwecken i.S.d. §§ 51 ff. Abgabenordnung (AO) gedient. Neben ihren satzungsmäßigen Leistungen habe die Klägerin in den Jahren 1987 und 1988 auch Dienstleistungen für nicht steuerbegünstigte Unternehmen getätigt (z. B. Endreinigungsleistungen für verschiedene Bauherren, Vermittlung von Einrichtungsaufträgen). Außerdem erbringe sie ihre Dienstleistungen gegenüber ihren gemeinnützigen Gesellschaftern (O und T) und ab dem 01.04.1988 zusätzlich gegenüber B als Nichtgesellschafter. Unmittelbare Leistungen an die Bewohner der Einrichtungen würden durch die Verwaltungsarbeit der Klägerin nicht getätigt. (Tz. 9.2 – 9.2.2 und Tz. 14 – 17 des Bp.-Berichts vom 20.12.1991). Im Rahmen der Schlussbesprechung zu dieser Außenprüfung wurde am 23.09.1991 auch die zukünftige Anerkennung der Klägerin als gemeinnützig erörtert.
Mit Schreiben vom 14.11.1991 fasste der Steuerberater der Klägerin das Ergebnis der Schlussbesprechung wie folgt zusammen:
„1. Für den Betriebsprüfungszeitraum 1987 und 1988 erkennt das Finanzamt die Gemeinnützigkeit nicht an ...
2. Für die Jahre 1989 bis einschließlich 1991…(wird) das Finanzamt…die Gemeinnützigkeit…anerkennen...
3. Für die weitere Anerkennung der Gemeinnützigkeit ab 1992 fordert das Finanzamt die Erfüllung folgender Voraussetzungen:
a) Der Gesellschaftsvertrag soll umgehend dahingehend ergänzt werden, dass die GmbH einen „Dachverband” i.S.d. § 57 Abs. 2 AO darstellt.
b) Die GmbH gliedert bis Ende 1991 den Reinigungsdienst aus ihrem Tätigkeitsfeld aus.
c) Es werden keine Leistungen an Dritte (Nichtgesellschafter) erbracht.
d) B ist demzufolge umgehend als Gesellschafter aufzunehmen.
e) Geschäftsführerbezüge werden in angemessenem Umfang gewährt. Die Bezahlung erfolgt in Anlehnung an den öffentlichen Dienst.
4. Das Finanzamt sieht die vorstehenden Punkte 1 – 3 als verbindliche Zusagen an. Die in der AO vorgesehene Form wird durch dieses vom Finanzamt gewünschte Bestätigungsschreiben ersetzt. ...
Ich gehe davon aus, dass ich mit dieser Zusammenfassung Ihre Vorschläge richtig wiedergegeben habe. Sollte das nicht der Fall sein, bitte ich um umgehende Nachricht.”
In den dem Gericht vorgelegten Steuerakten, die nur eine Kopie dieses Schreibens enthalten, lässt sich keine Reaktion des Beklagten auf dieses Schreiben feststellen. Das Original des Schreibens ist nach Auskunft des Beklagten nicht mehr zu finden. Die Arbeitsakte über die für die Jahre 1987 und 1988 durchgeführte Außenprüfung wurde zwischenzeitlich vernichtet.
Am 23.12.1991 wurde der Gesellschaftsvertrag der Klägerin dahingehend geändert, dass § 2 wie folgt gefasst wurde: „Gegenstand des Unternehmens ist der Betrieb, die Förderung und die Verwaltung von gemeinnützigen Altenheimen, Senioren-Zentren und Pflegeheimen aller Art soweit es sich um eigene Einrichtu...