Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahren nach § 32i AO; Datenschutzrechtliche Verfahren nach EU-DSGVO
Leitsatz (redaktionell)
- Die Vorschriften der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) sind im Bereich des Steuerrechts nur auf harmonisierte Steuern, wie etwa die der Umsatzbesteuerung, anwendbar, nicht dagegen auf dem Gebiet der Einkommensbesteuerung natürlicher Personen.
- Es ist nicht zulässig, den sachlichen Anwendungsbereich der DSGVO durch ein Schreiben der Finanzverwaltung zu erweitern.
Normenkette
EUV 2016/679 Art 15; EUV 2016/679 Art 2
Streitjahr(e)
2019
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist das Bestehen eines Anspruchs auf Akteneinsicht der Kläger nach den Vorschriften der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO).
Die Kläger begehrten mit Schreiben vom … 2019 unter Hinweis auf die Vorschrift des Art. 15 Abs. 1 2. Halbsatz, Abs. 2 DSGVO die Einsicht in ihre Einkommensteuerakte des Veranlagungszeitraums … beim beklagten Finanzamt …. Bereits zuvor hatten sie Klage gegen das Finanzamt (FA) gegen die Ablehnung der Gewährung von Akteneinsicht nach den Vorschriften der Abgabenordnung (AO) in ihre Einkommensteuerakte für den Veranlagungszeitraum … nach insoweit erfolglos gebliebenem Vorverfahren erhoben. Dieses Klageverfahren, über das eine Entscheidung noch aussteht, wird beim Niedersächsischen Finanzgericht unter dem Az. 7 K … geführt.
Mit Bescheid vom … 2019 lehnte das beklagte FA den auf die Vorschriften der DSGVO gestützten Antrag der Kläger ab. Es verwies darauf, dass eine Auskunft zu den von den Klägern gewünschten Daten unzulässig sei, da Rechte und Freiheiten anderer Personen nicht beeinträchtigt werden dürften, da diese Rechte und Freiheiten durch das Steuergeheimnis geschützt seien. Ferner scheitere ein Auskunftsanspruch am Ausnahmetatbestand des § 32c Abs. 1 Nr. 3a AO, da hinsichtlich der Einkommensteuer … bereits Bestandskraft eingetreten sei.
Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer mit Schriftsatz vom … 2019 erhobenen Klage. Zwar sei es zutreffend, dass ihnen gegenüber hinsichtlich des Veranlagungszeitraums … unter dem … ein Einkommensteuerbescheid ergangen sei, der bestandskräftig geworden sei. In diesem Bescheid sei … abgewichen worden. Dieser Einkommensteuerbescheid sei den vormaligen steuerlichen Beratern der Kläger (wirksam) bekanntgegeben worden. Insoweit habe es wohl wechselseitigen Schriftverkehr und einige Telefonate zwischen den vormaligen steuerlichen Beratern und dem beklagten FA gegeben, der den Klägern jedoch unbekannt geblieben sei. Es sei beabsichtigt, die ursprünglich für die Kläger tätigen Steuerberater ggf. auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen. Voraussetzung dafür sei, dass im Rahmen der Steuerfestsetzung, insbesondere des in Bezug genommenen ”wechselseitigen Schriftverkehrs“ durch die vormaligen Steuerberater Fehler gemacht worden seien, dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass Rückfragen des beklagen FA offenbar nicht vollumfänglich beantwortet worden seien. Um sich einen Überblick über den wechselseitigen Schriftverkehr, insbesondere die mit den ehemaligen Steuerberatern diskutierte Problematik verschaffen zu können, sei dann erstmalig mit anwaltlichem Schreiben vom … und nunmehr erneut mit Schreiben vom … 2019 ein Antrag auf Akteneinsicht gestellt worden.
Den Klägern stehe ein Anspruch auf Akteneinsicht nach Art. 15 Abs. 1 Halbsatz 2, Abs. 2 DSGVO zu. Denn ab dem 25. Mai 2018 bestehe für alle Steuerpflichtigen grundsätzlich ein gebundener Anspruch auf Akteneinsicht nach der DSGVO bei der Finanzbehörde, insoweit sei es nicht entscheidend, dass das Akteneinsichtsrecht nicht ausdrücklich in der DSGVO geregelt worden sei. Ein solcher Anspruch ergebe sich aus der zuvor erwähnten Vorschrift, wonach ein Auskunftsanspruch über sämtliche verarbeiteten personenbezogenen Daten existiere. Auch sei der sachliche Anwendungsbereich der DSGVO nicht nach Art. 2 Abs. 2 ausgeschlossen. Zwar gelte die Verordnung grundsätzlich nur für die Verarbeitung personenbezogener Daten im Anwendungsbereich des Unionsrechts, was bei nicht harmonisierten Steuern wie der Einkommen- oder Körperschaftsteuer zweifelhaft sei. Jedoch solle die DSGVO nach Auffassung der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder zugunsten der Betroffenen entgegen der Gesetzeslage für sämtliche Steuerarten anwendbar sein. Dies lasse sich dem entsprechenden BMF-Schreiben vom 12. Januar 2018, BStBl I 2018, 185 (Rz. 3 und 22) entnehmen. Darüber hinaus bestehe ein Anspruch der Kläger auf Informationszugang aus der Selbstbindung der Verwaltung. Hierbei handele es sich auch nicht um eine Ermessensentscheidung der jeweiligen Finanzbehörde.
Die Kläger beantragen,
unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom … 2019 das beklagte FA … zu verpflichten, ihnen Einsicht in die Einkommensteuerakte des Veranlagungszeitraums … zu gewähren.
Das beklagte Finanzamt … beantragt,
die Klage abzuweisen.
Aus der seit dem 25. Mai 2018 gültigen DSGVO ergebe sich vorliegend kein Anspruch der Kläger auf Aktenei...