Verfahrensgang

VG Braunschweig (Urteil vom 21.11.2001; Aktenzeichen 8 A 357/01)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig – 8. Kammer – vom 21. November 2001 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungs- und des Berufungsverfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger wendet sich gegen den von der Beklagten geltend gemachten Anspruch auf Erstattung der Kosten der Herstellung des Schmutzwasserhausanschlusses für sein Grundstück „B. Straße 3” im Ortsteil C. der Stadt D..

Die Beklagte ließ in den Jahren 1991/1992 im Ortsteil C. die zentrale Abwasserbeseitigungsanlage einschließlich der Hausanschlüsse erstellen. Mit Bescheid vom 19. April 1994 forderte sie die Mutter des Klägers als seinerzeitige Eigentümerin auf, die für die Herstellung ihres Hausanschlusses entstandenen Kosten in Höhe von 7.272,66 DM zu erstatten. Diese legte hiergegen am 17. Mai 1994 Widerspruch ein mit der Begründung, einzelne Kostenpositionen seien nicht nachvollziehbar und infolge nicht fachgerechter Durchführung der Arbeiten sei es zu Schäden an ihrer Hoffläche gekommen. Eine Bearbeitung des Widerspruchs durch die Beklagte erfolgte in den folgenden sechs Jahren nicht. Auf Anfrage der Beklagten vom 16. März 2001 teilte der Kläger dieser Anfang Mai 2001 mit, das Widerspruchsverfahren werde von ihm fortgeführt. Der Erstattungsanspruch sei aufgrund der Untätigkeit der Beklagten inzwischen nach § 228 AO verjährt. Die Beklagte reduzierte mit Widerspruchsbescheid vom 18. Juni 2001 den Erstattungsanspruch auf 6.847,19 DM und wies den Widerspruch im Übrigen zurück.

Der dagegen gerichteten Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 21. November 2001 stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen dargelegt :

Die Erstattungsforderung der Beklagten sei nach § 11 Abs. 1 Nr. 5a NKAG i.V.m. § 228 AO am 31. Dezember 1999 verjährt und damit erloschen. Eine Unterbrechung der Verjährung gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 5a NKAG i.V.m. § 231 AO sei ungeachtet der Frage, ob die aufschiebende Wirkung eines Widerspruch einer Aussetzung der Vollziehung im Sinne von § 231 AO gleich zu erachten sei, nicht eingetreten, da der angefochtene Bescheid nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kraft Gesetzes sofort vollziehbar gewesen sei. Die (wohl noch) herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur, dass der Kostenerstattungsanspruch des § 8 NKAG nicht dem Regelungsbereich des § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO unterfalle, teile die Kammer nicht. Öffentliche Abgaben seien hoheitlich geltend gemachte öffentlich-rechtliche Geldforderungen, die von allen erhoben würden, die einen normativ bestimmten Tatbestand erfüllten, und die zur Deckung des Finanzbedarfs des Hoheitsträgers für die Erfüllung seiner öffentlichen Aufgaben dienten. Dabei genüge es, wenn die Abgabe diese Funktion neben einer anderen, z.B. einer Lenkungs-, Antriebs-, Zwangs- oder Straffunktion habe und möglicherweise zweckgebunden zu verwenden sei. Sinn und Zweck der in § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO enthaltenen Regelung sei es, dass der abgabeberechtigte Hoheitsträger nicht durch Einlegung von Rechtsbehelfen und die damit verbundene aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 1 VwGO an der Verfolgung seiner öffentlichen Aufgaben gehindert werde. Gerade dieser Finanzierungsfunktion diene aber auch der streitbefangene Kostenerstattungsanspruch, da er ausschließlich der Deckung der der kommunalen Körperschaft aus der anschlussbezogenen Maßnahme erwachsenen Ausgaben zu dienen bestimmt sei und keinerlei Zwecke außerhalb der Refinanzierungsfunktion erfülle.

Der Senat hat auf Antrag der Beklagten mit Beschluss vom 13. März 2003 deren Berufung gegen das ihr am 20. Dezember 2001 zugestellte Urteil wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (9 LA 98/02).

Die Beklagte führt zur Begründung der Berufung im Wesentlichen aus:

Das Verwaltungsgericht folgere aus dem von ihm zutreffend wiedergegebenen herkömmlichen Verständnis der öffentlichen Abgaben im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO zu Unrecht, dass der geltend gemachte Erstattungsanspruch diesen zuzuordnen sei, weil es die Finanzierungsfunktion überbewerte. Denn der Refinanzierung bzw. der Erschließung von Einnahmequellen diene jegliche Anforderung von Geld durch die Gemeinde. In Angleichung an das Steuerrecht seien deshalb in die Regelung über den Sofortvollzug nur solche Abgaben einzubeziehen, durch die, Steuern vergleichbar, die Befriedigung des öffentlichen Finanzbedarfs sichergestellt werde. Die Bestimmung der öffentlichen Abgabe müsse nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vielmehr über das Kriterium der „öffentlichen Aufgabenwahrnehmung” erfolgen. Sofort vollziehbar seien Steuern und ggf. auch Sonderabgaben, die nach ihrer primären Zwecksetzung der allgemeinen Finanzierung der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben dienten (Finanzierungsbedarf für öffentliche Aufgabenwahrnehmung), und sonstige Abgaben (z.B. Gebühren und Beiträge), die nac...

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