Gerhard Ring, Line Olsen-Ring
Rz. 92
Die Nachlassabwicklung erfolgt in Norwegen zumeist im Rahmen einer privaten Nachlassauseinandersetzung. Eine solche setzt nach § 116 Abs. 1 ADL voraus, dass zumindest einer der Erben, der volljährig sein muss, gegenüber dem Gericht erklärt, dass er die Haftung für die Nachlassverbindlichkeiten persönlich übernimmt. Geben mehrere Erben eine solche Erklärung ab, haften sie jeweils in vollem Umfang und solidarisch. Die übrigen Erben haften hingegen allein innerhalb der Wertgrenze ihres eigenen Erbes.
Betragen die Nachlassaktiva schätzungsweise weniger als das Dreifache des Grundbetrages der norwegischen Sozialversicherung (gegenwärtig umgerechnet etwa 31.000 EUR), wird die Haftung auf den Wert der Nachlassaktiva, abzüglich der Beerdigungskosten, begrenzt (§ 116 Abs. 2 ADL).
Bei Beteiligung minderjähriger Erben muss der Vormund einer privaten Nachlassauseinandersetzung zustimmen. Ist keiner der Erben volljährig, kann eine private Nachlassauseinandersetzung ohne vollständige Haftungsübernahme erfolgen. Die Erben haften in diesem Fall nur innerhalb der Wertgrenze ihres eigenen Erbes (§ 116 Abs. 3 ADL).
In Ausnahmefällen kann die Haftung eines Erben gegenüber einzelnen Gläubigern für den Fall, dass die Nachlassmittel nicht zur Abdeckung sämtlicher Verbindlichkeiten des Erblassers ausreichen, nach Maßgabe von § 116 ADL reduziert werden, wenn das Gericht unter Berücksichtigung des Umfangs der Forderungen, der wirtschaftlichen Kraft des haftenden Erben und der übrigen Umstände die Forderung als unbillig belastend ansieht und der Erbe im Vorfeld seiner Haftungsübernahme keine Kenntnis von der Forderung hatte oder hätte haben müssen (§ 116 Abs. 5 ADL).
Die Haftungsübernahme muss innerhalb von 60 Tagen nach dem Todesfall oder aber innerhalb einer anderen vom zuständigen Gericht festgelegten Frist erklärt werden (§ 117 ADL).
Rz. 93
Das Teilungsgericht stellt dem oder den Erben, der oder die eine persönliche Haftung übernommen hat/haben, bzw. dem Testamentsvollstrecker, nach Maßgabe von § 118 ADL einen Erbschein (skifteattest) aus. Mit der Ausstellung des Erbscheins wird der Nachlass zur privaten Auseinandersetzung ausgehändigt. Der bzw. die Inhaber des Erbscheins kann oder können über die Nachlassaktiva verfügen und den Nachlass verpflichten.
Die mit der Durchführung einer privaten Nachlassauseinandersetzung einhergehenden Pflichten sind in § 119 ADL detailliert geregelt. So müssen etwa die Erben und deren Erbanteil ermittelt werden. Die Steuererklärung des Erblassers ist für das laufende sowie für das vorangegangene Jahr einzureichen, soweit dies noch nicht geschehen ist. Es "soll" weiterhin ein Vorschlag für die Verteilung der Nachlasswerte aufgestellt und die anschließend erfolgte Verteilung in einem Dokument festgehalten werden.
Beschlüsse während der Auseinandersetzung sind grundsätzlich von allen Erben einvernehmlich zu treffen. Die Erben können aber auch eine Person oder eine Behörde damit betrauen, Beschlüsse mit bindender Wirkung für alle zu treffen (§ 120 ADL).
Rz. 94
Der Erblasser kann nach § 99 ADL in seinem Testament eine bestimmte Person benennen, die als Testamentsvollstrecker (testamentsfullbyrder) die Nachlassteilung vornehmen soll. Eine solche testamentarische Bestimmung ist jedoch für die Abkömmlinge oder den überlebenden Ehepartner bzw. für den gesetzlich erbberechtigten Lebensgefährten des Erblassers nicht bindend.