Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
- 1. Nutzung einer Wohnung zu gewerblichen oder beruflichen Zwecken kann von der Zustimmung des Verwalters oder der Eigentümer abhängig gemacht werden
- 2. Mehrheitsbeschluss zum Wiederaufbau eines Gebäudes muss dem § 22 Abs. 2 WEG entsprechen
Normenkette
§ 14 Nr. 1 WEG, § 15 Abs. 2 und Abs. 3 WEG, § 22 Abs. 2 WEG
Kommentar
1. Wohnungseigentümer können mit Stimmenmehrheit beschließen, dass die Nutzung einer Wohnung zu gewerblichen oder beruflichen Zwecken der Zustimmung der Wohnungseigentümer bedarf, die bei Änderung der Verhältnisse oder Nichteinhaltung von Auflagen vom Verwalter widerrufen werden kann. In diesem Fall kann die Unterlassung einer nach dem Gesetz und den Vereinbarungen der Gemeinschaft zulässigen Nutzung nicht mit der Begründung verlangt werden, die Genehmigung der Wohnungseigentümer fehle oder sei widerrufen. Ob die Nutzung einer Wohnung zu anderen als zu Wohnzwecken mehr stört oder beeinträchtigt, kann im Einzelfall zweifelhaft sein. Es ist daher sinnvoll, eine solche Nutzung von der Zustimmung des Verwalters oder - wie hier - der Wohnungseigentümer abhängig zu machen. Im Zusammenhang mit der Genehmigungserteilung können solche Zweifel ausgeräumt werden. Das durch Mehrheitsbeschluss aufgestellte Genehmigungserfordernis für die Nutzung einer Wohnung zu gewerblichen oder beruflichen Zwecken schließt notwendigerweise auch die Fälle ein, in denen im Hinblick auf die gesetzliche Regelung des § 13 Abs. 1 WEG eine bestimmte Nutzung verlangt werden kann und keiner Genehmigung bedarf. In diesen Fällen stellt die Genehmigung lediglich ein zusätzliches, nur formales Erfordernis der Nutzung dar. Soweit die beabsichtigte anderweitige Nutzung nicht mehr stört und beeinträchtigt als eine Nutzung zu Wohnzwecken, besteht gem. § 15 Abs. 3 WEG i. V. m. § 14 Nr. 1 WEG ein Anspruch auf sie und damit auch auf die Erteilung der Genehmigung. Wird in diesem Fall die Wohnung ohne die erforderliche Genehmigung genutzt, kann allein darauf ein Unterlassungsanspruch nicht gestützt werden. Ein Mehrheitsbeschluss, der insbesondere die Verweigerung einer Genehmigung zur Ausübung eines Gewerbes nur aus wichtigem Grund rechtfertigt, ist gültig und entspricht dem maßgebenden Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen gem. § 15 Abs. 3 WEG, zumal dann, wenn die Genehmigung widerruflich erteilt und von der Erfüllung von Auflagen abhängig gemacht wurde. Durch solche Auflagen kann sichergestellt werden, dass die beabsichtigte Nutzung nicht mehr stört und beeinträchtigt als eine Nutzung zu Wohnzwecken; die Widerruflichkeit ermöglicht die Zurücknahme einer Genehmigung, wenn Auflagen nicht eingehalten werden (vgl. auch BayObLGZ 1987, 291).
2. Ist mehrheitlich beschlossen worden, dass zum Wiederaufbau oder zur Wiederherstellung im Falle der Zerstörung einer Wohnanlage die Eigentümer nur verpflichtet sind, wenn die Finanzierung dieser Maßnahme durch Versicherungen oder sonstige Entschädigungen gesichert ist, so widerspricht ein solcher Beschluss der gesetzlichen Regelung des § 22 Abs. 2 WEG. Nach dieser Bestimmung wird das Recht, bei Zerstörung des Gebäudes dessen Wiederherstellung zu verlangen oder mit Stimmenmehrheit zu beschließen, für den Fall ausgeschlossen, dass das Gebäude zu mehr als der Hälfte seines Wertes zerstört ist und der Schaden nicht durch eine Versicherung gedeckt ist. Danach besteht eine gem. § 21 Abs. 4 WEG durchsetzbare Wiederaufbaupflicht unabhängig vom Umfang der Zerstörung immer dann, wenn der Schatten durch Versicherungsleistungen oder sonstige Weise gedeckt ist, ferner bei einer Zerstörung von weniger als der Hälfte des Wertes auch ohne Deckung des Schadens durch eine Versicherung. Der hier gefasste Mehrheitsbeschluss macht in Widerspruch zur gesetzlichen Regelung die Wiederaufbaupflicht in jedem Fall von der Deckung der Kosten durch Versicherungs- oder sonstige Entschädigungsleistungen abhängig, also auch bei Zerstörung von weniger als der Hälfte des Wertes, wenn keine Deckung vorhanden ist. Insoweit konnte das Gesetz nicht durch Mehrheitsbeschluss abgeändert werden, so dass die Anfechtung dieses Beschlusspunktes Erfolg hatte.
3. Keine außergerichtliche Kostenerstattung bei Geschäftswertansatz für das Erstbeschwerdeverfahren von 8000 DM und für das Rechtsbeschwerdeverfahren von 3.000 DM.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 19.10.1995, 2Z BR 110/95)
Zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer