Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Verwirkte Unterlassungsansprüche
Normenkette
§ 15 Abs. 3 WEG, § 21 Abs. 4 WEG, § 242 BGB, § 315 Abs. 1 BGB, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB
Kommentar
1. Knapp 20 Jahre wurde in einer Teileigentumsanlage mit Hotelappartements, Praxen und gewerblich genutzten Einheiten ein Teileigentum (in der Teilungserklärung als "Laden"bezeichnet) als Eiscafé genutzt, ebenso die vorgelagerte Gemeinschaftsfläche als Terrasse zu diesem Café. Eigentümer beschlossen dann hinsichtlich der Nutzung dieser Einheit Unterlassung, ebenso hinsichtlich der baulich als Terrasse ausgestalteten vorgelagerten Fläche. Weiterhin beschlossen sie, eine Nutzungsentschädigung hinsichtlich der Terrassenfläche "für Vergangenheit und Zukunft bis zur Beendigung der Nutzung" geltend zu machen.
Der Senat erklärte den angefochtenen Beschluss zur Nutzungsuntersagung im vollen Umfang für ungültig, den weiteren auf Nutzungsentschädigung gerichteten Beschluss insoweit, als eine solche Entschädigung für die Vergangenheit gefordert werden sollte.
2. Ist der Anspruch auf Unterlassung des Betriebs eines Eiscafés in einem in der Teilungserklärung als Laden bezeichneten Teileigentum verwirkt, kann dies auch für die Nutzung einer dem Sondereigentum (Teileigentum) vorgelagerten Terrassenfläche gelten, wenn diese Fläche von Anfang an in den Betrieb des Eiscafés miteinbezogen war.
3. Die Verwirkung des Anspruchs auf Nutzungsuntersagung steht jedoch der Geltendmachung eines Entgelts für die Weiterbenutzung der Gemeinschaftsfläche nicht entgegen. Eigentümer müssen die Nutzung dieser Fläche für den Betrieb des Eiscafés zwar auf Dauer dulden, allerdings nicht eine fortdauernde unentgeltliche Überlassung. Soweit die zukünftige Nutzung in Frage steht, ist hier Verwirkung nicht eingetreten, weil es jedenfalls an einem Vertrauenstatbestand fehlt, auf den sich die anfechtende Antragstellerseite stützen könnte. Im vorliegenden Fall ergab sich auch aus der Tatsache, dass die Antragstellerin schon vor der Versammlung mit Antragsgegnern über ein Entgelt für die Terrassennutzung verhandelt hat, dass sie nicht auf eine Fortdauer der unentgeltlichen Nutzung vertraut hat. Die Geltendmachung eines Entgelts durch die Gemeinschaft für zukünftige Terrassennutzung entspricht auch Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung nach § 21 Abs. 4 WEG. Auch andere Eigentümer hatten in dieser Gemeinschaft für von ihnen allein genutzten Grundstücksflächen Mietzins zu entrichten. Die Höhe eines zu zahlenden Entgelts ist nach billigem Ermessen zu bestimmen ( § 315 Abs. 1 BGB).
Für die Vergangenheit konnte jedoch kein Nutzungsentgelt rechtswirksam beschlossen werden; insoweit bestand keine Rechtsgrundlage, auch nicht nach Grundsätzen ungerechtfertigter Bereicherung gem. § 812 Abs. 1 BGB; der Rechtsgrund für die unentgeltliche Nutzung der Terrassenfläche lag jedenfalls in der Duldung dieser Nutzung bisher durch die Eigentümer.
4. Keine außergerichtliche Kostenerstattung bei Gerichtskostenquotelung und Geschäftswertansatz für das Rechtsbeschwerdeverfahren von DM 12.000.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 03.12.1998, 2Z BR 84/98)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer