Prof. Dr. Susanne Ferrari, Dr. Marion Koch-Hipp
Rz. 7
Mängel bei der Eheschließung können verschiedene Wirkungen haben:
Rz. 8
Unabdingbare Voraussetzung für eine gültige Eheschließung ist, dass die Ehe vor einem Standesbeamten geschlossen wird (§ 15 Abs. 1 EheG) und die Verlobten vor diesem eine wechselseitige Ehekonsenserklärung abgeben. Anderenfalls liegt eine Nichtehe vor, d.h., der gesetzte Akt ist rechtlich ohne Wirkung und es bedarf keiner gerichtlichen Geltendmachung der Ungültigkeit, da nicht einmal die elementarsten Voraussetzungen einer Eheschließung erfüllt sind.
Rz. 9
Andere schwerwiegende Verstöße bewirken die Nichtigkeit oder Aufhebbarkeit der Ehe. Nach § 21 Abs. 1 EheG ist eine Ehe nichtig, wenn sie nicht in der durch § 17 EheG vorgeschriebenen Form (z.B. Stellvertretung, keine gleichzeitige Anwesenheit der Verlobten, Abgabe der Eheerklärung unter einer Bedingung oder Befristung) geschlossen worden ist oder einer der Ehegatten zur Zeit der Eheschließung nicht ehefähig war oder wenn die Ehe ausschließlich oder vorwiegend zu dem Zweck geschlossen ist, den Erwerb eines Familiennamens oder der Staatsangehörigkeit zu ermöglichen, ohne dass eine eheliche Lebensgemeinschaft begründet werden sollte (§§ 20–23 EheG). Außerdem liegt Nichtigkeit vor, wenn die Ehe entgegen dem Eheverbot der Blutsverwandtschaft zwischen Blutsverwandten gerader Linie und zwischen voll- oder halbbürtigen Geschwistern geschlossen worden ist (§ 25 EheG) oder wenn eine Person zur Zeit der Eheschließung mit einer dritten Person in gültiger Ehe oder eingetragener Partnerschaft lebte (§ 24 EheG).
In den meisten Fällen ist eine Heilung der Nichtigkeit möglich. Wegen der besonderen Schwere sind die Nichtigkeitsgründe der Blutverwandtschaft und Doppelehe nicht heilbar.
Rz. 10
Solange die Ehe nicht durch gerichtliches Urteil für nichtig erklärt worden ist, kann sich nach § 27 EheG niemand auf die Nichtigkeit der Ehe berufen. Die Nichtigkeit muss durch Klage geltend gemacht werden. Die Klagebefugnis kommt nach § 28 Abs. 2 EheG grundsätzlich dem Staatsanwalt und jedem der beiden Ehegatten, bei Doppelehe auch dem Ehegatten aus der ersten legalen Verbindung, zu. Bei einer Namens- und Staatsangehörigkeitsehe hat nur der Staatsanwalt die Möglichkeit, auf Nichtigkeit zu klagen, beim Mangel der Ehefähigkeit nur die beiden Ehegatten (§ 28 Abs. 1 EheG). Sind beide Ehegatten verstorben, so kann die Nichtigerklärung nicht mehr begehrt werden (§ 28 Abs. 3 EheG). Zu den Folgen der Nichtigkeit siehe §§ 31 f. EheG.
Rz. 11
Ein Ehegatte kann die Aufhebung der Ehe begehren, wenn er zur Zeit der Eheschließung minderjährig war und sein gesetzlicher Vertreter nicht – auch nicht nachträglich – die Zustimmung zur Eheschließung erteilt hat (§ 35 EheG). Auch bestimmte Willensmängel bei Eingehung der Ehe wie Irrtum über die Eheschließung oder über die Person des anderen Ehegatten nach § 36 EheG, Irrtum über Umstände, die die Person des anderen Ehegatten betreffen nach § 37 EheG, arglistige Täuschung oder Drohung bei Eingehung der Ehe nach §§ 38 f. EheG berechtigen den in seiner Willensbildung beeinträchtigten Ehegatten zur Aufhebung der Ehe. Eine Heilung des Mangels ist bei allen Aufhebungsgründen möglich. Die Aufhebungsklage ist binnen Jahresfrist zu erheben; die Folgen der Aufhebung richten sich nach den Vorschriften über die Scheidung (§ 42 EheG).
Rz. 12
Entscheidungsfähigkeit als Voraussetzung für Klageerhebung: Sowohl die Nichtigkeitserklärung als auch die Aufhebung der Ehe kann ein Ehegatte nur selbst begehren, wenn er dafür entscheidungsfähig ist. Eine Vertretung bei mangelnder Entscheidungsfähigkeit kommt nur in Betracht, wenn die Vertretungshandlung zur Wahrung des Wohls des Ehegatten erforderlich ist. Gibt der Ehegatte aber zu erkennen, dass er die vom gesetzlichen Vertreter geplante Vertretungshandlung ablehnt, so hat dies zu unterblieben, es sei denn, sein Wohl wäre sonst erheblich gefährdet (§§ 29, 39a EheG).
Rz. 13
Die Gültigkeit der Ehe bleibt jedoch unberührt, wenn lediglich gegen schlichte Eheverbote oder gegen Formvorschriften, welche bloß "Soll-Vorschriften" sind, verstoßen worden ist. Sie verbieten dem Standesbeamten, eine Trauung vorzunehmen. Dazu gehört z.B. die Eheschließung ohne Zeugen (vgl. § 18 Abs. 2 PStG) oder zwischen Adoptivelternteil und Adoptivkind entgegen dem in § 10 EheG angeordneten Eheverbot.