1. Bestand und Umfang der Vertretungsmacht
Rz. 181
Die Geschäftsführer vertreten die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich (§ 18 Abs. 1 GmbHG). Die Gesellschaft kann keinen anderen Organen Vertretungsmacht erteilen. Die Vertretung umfasst die Abgabe (aktive Vertretung) oder den Empfang (passive Vertretung) von Willenserklärungen im Namen der Gesellschaft. Der Umfang der Vertretungsbefugnis ist unbeschränkt. Eine Beschränkung der Vertretungsmacht ist Dritten gegenüber wirkungslos (§ 20 Abs. 2 GmbHG), sodass der Gesellschaft auch Rechtshandlungen zuzurechnen sind, die die Geschäftsführer in Übertretung ihrer internen Befugnisse getätigt haben.
2. Einzel- oder Gesamtvertretungsbefugnis
Rz. 182
Die Vertretungsmacht kann im Gesellschaftsvertrag geregelt werden. Wenn der Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt, gilt die kollektive Vertretungsbefugnis aller Geschäftsführer (§ 18 Abs. 2 GmbHG). Passiv vertretungsbefugt ist jeder Geschäftsführer und Prokurist selbstständig (§ 18 Abs. 4 GmbHG).
3. Möglichkeit der Regelung im Gesellschaftsvertrag
Rz. 183
Der Gesellschaftsvertrag kann die Vertretung selbst regeln oder aber bestimmen, dass die Vertretung jeweils durch Gesellschafterbeschluss geregelt wird. Es kann vereinbart werden, dass einer oder mehrere Geschäftsführer nur in Gemeinschaft mit einem Prokuristen vertreten können (§ 18 Abs. 3 GmbHG). Es muss aber sichergestellt sein, dass mindestens ein Geschäftsführer auch ohne Mitwirkung eines Prokuristen vertretungsbefugt ist. In der Praxis am häufigsten ist Einzelvertretungsbefugnis oder Vertretungsbefugnis von zwei Geschäftsführern gemeinsam.
4. Insichgeschäft und Mehrfachvertretung
Rz. 184
Insichgeschäfte zwischen der GmbH und dem Geschäftsführer sind zulässig, wenn
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die Gesellschafter der GmbH zustimmen, |
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die Interessen der GmbH durch das Rechtsgeschäft nicht gefährdet werden können oder |
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ein Kollisionskurator bestellt ist. |
Bei aufsichtsratspflichtigen Gesellschaften vertritt der Aufsichtsrat die GmbH bei Geschäften mit Geschäftsführern (§ 30l Abs. 1 GmbHG). Bei Ein-Mann-Gesellschaften ist das Selbstkontrahieren dann möglich, wenn der einzige Gesellschafter/Geschäftsführer über das Rechtsgeschäft, das er sowohl im eigenen Namen als auch namens der GmbH abschließt, unverzüglich eine Urkunde errichtet. Dabei ist vorzusorgen, dass nachträgliche Änderungen des Inhalts und Zweifel über den Zeitpunkt des Abschlusses ausgeschlossen sind (§ 18 Abs. 5 GmbHG). Dies kann jedenfalls durch eine beglaubigte Unterfertigung der Urkunde erreicht werden.
5. Beschränkungen der Vertretungsmacht
Rz. 185
Beschränkungen der Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer sind unwirksam (§ 20 Abs. 2 GmbHG). Auch Beschränkungen im Gesellschaftsvertrag oder in Gesellschafterbeschlüssen wirken nur im Innenverhältnis und sind Dritten gegenüber unwirksam. Nur wenn der Dritte die Beschränkung kennt, kann das Geschäft wegen Sittenwidrigkeit unwirksam sein (Kollusion). Die einzig mögliche Beschränkung der Ausübung der Vertretungsmacht liegt im Falle der Gesamtvertretung vor.
6. Prokuristen und deren Vertretungsbefugnis
Rz. 186
Die Prokura ermächtigt zu allen gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines Unternehmens mit sich bringt (§§ 48 ff. UGB). Für die Belastung und Veräußerung von Liegenschaften bedarf es einer besonderen Ermächtigung der Gesellschaft (§ 49 Abs. 2 UGB). Eine Beschränkung des Umfangs dieser Vertretungsbefugnis ist im Außenverhältnis rechtlich unwirksam. Im Innenverhältnis kann die Prokura dagegen in jeder erdenklichen Weise eingeschränkt werden. Die Bestellung von Prokuristen und deren Anmeldung im Firmenbuch erfolgt durch sämtliche Geschäftsführer, sofern der Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt. Der Widerruf ist dagegen durch jeden Geschäftsführer selbstständig möglich (§ 28 Abs. 2 GmbHG).
7. Handlungsvollmacht
Rz. 187
Erteilt die Gesellschaft eine rechtsgeschäftliche Vollmacht zum Betrieb des Unternehmens oder zur Vornahme einer zum Unternehmen gehörenden Art von Geschäften, so erstreckt sich die Vollmacht auf alle Geschäfte und Rechtshandlungen, die der Betrieb des Unternehmens oder die Vornahme derartiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt (§ 54 UGB).
8. Nachweis der Vertretungsbefugnis
Rz. 188
Die Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer und Prokuristen kann mit einem vom Gericht ausgestellten oder von einem öffentlichen Notar als Gerichtskommissär beglaubigten Firmenbuchausdruck nachgewiesen werden. Ein solcher vom Gericht oder Notar beglaubigter Firmenbuchausdruck besitzt die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde und ist daher sicher. Alle anderen Firmenbuchauszüge besitzen keine Beweiskraft und sind daher nicht sicher. Die Vertretungsbefugnis von Organen kann auch mittels einer vom Notar ausgestellten Amtsbestätigung gem. § 89a NO nachgewiesen werden.