Leitsatz (amtlich)
Ruht die elterliche Sorge nach § 1678 Abs. 2 BGB, ist die Übertragung auf den anderen Elternteil vor der Bestellung eines Dritten als Vormund zu prüfen. Sie ist nicht von einer positiven Kindeswohlprüfung abhängig. Die elterliche Sorge ist zu übertragen, wenn dies dem Kindeswohl nicht widerspricht. Der Zustimmung des bisher allein sorgeberechtigten Elternteils bedarf es nicht.
Normenkette
BGB § 1678 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Bayreuth (Beschluss vom 09.07.2010; Aktenzeichen 1 F 498/10) |
Tenor
1. Die Beschwerde der Beteiligten K. gegen den Beschluss des AG Bayreuth vom 9.7.2010 wird zurückgewiesen.
2. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Der Beschwerdewert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. D., geb. am xx. xx. 2000, ist das Kind von A. und M. Die Eltern waren und sind nicht miteinander verheiratet. Gemeinsame Sorgeerklärungen wurden nicht abgegeben. Die elterliche Sorge für D. stand daher der Kindsmutter alleine zu. Das Kind D. lebt seit ca. 3 1/2 Jahren bei der Großmutter mütterlicherseits, Frau K., und wird von dieser betreut. Frau K. ist zwischenzeitlich vom Stadtjugendamt B. als Pflegegroßmutter für ihr Enkelkind D. anerkannt. Die Kindsmutter hatte am 3.4.2007 in Ergänzung zum Pflegeverhältnis eine Vollmacht für die sonstige Beteiligte K. erteilt (Blatt 23 f.).
Die Mutter des Kindes D. liegt seit dem 6.11.2009 nach einem Asthma-Anfall bei bestehender Drogensucht im Koma. Mit Beschluss des AG Bayreuth - Betreuungsgericht - vom 31.3.2010 (XVII 1009/09) wurde für die im Koma liegende Mutter die rechtliche Betreuung, befristet bis zum 31.3.2017, angeordnet und die Großmutter des Kindes Frau K., geb. xx. xx. 1956, sowie die Schwester der Kindsmutter zu Betreuern der Kindsmutter bestellt.
Mit Beschluss des AG Bayreuth vom 5.5.2010 (Az.: 52 F 285/10) stellte die Rechtspflegerin gem. § 1674 BGB das Ruhen der elterlichen Sorge der Kindsmutter fest und leitete das Verfahren zur weiteren Entscheidung gem. § 1678 Abs. 2 BGB an den Familienrichter weiter.
In dem daraufhin eingeleiteten Sorgerechtsverfahren beantragten sowohl der Vater des Kindes, M., als auch die Großmutter K. die Übertragung des Sorgerechts für das Kind D. auf sich. Der Kindsvater M. ist damit einverstanden, dass seine Tochter bei der Großmutter lebt, er erstrebt jedoch die elterliche Sorge für seine Tochter.
Die Großmutter des Kindes ist nicht erwerbstätig und bezieht Leistungen nach dem SGB II. Der Vater des Kindes ist als Briefzusteller bei der X. beschäftigt und verdient monatlich netto ca. 770 EUR.
Das AG hat im Termin vom 9.6.2010 den Kindsvater, die Großmutter des Kindes sowie das Kind D. sowie den Vertreter des Jugendamtes gehört. Auf das Protokoll vom 9.6.2010 wird Bezug genommen. Der Vertreter des Jugendamts hat sich im Termin vom 9.6.2010 dafür ausgesprochen, dass die Großmutter für das Kind entscheiden solle.
Mit Beschluss des AG Bayreuth vom 9.7.2010 wurde die elterliche Sorge für das gemeinsame Kind D., geb. am xx. xx. 2000, dem Vater M. übertragen. Aufgrund einer verfassungskonformen Auslegung des § 1678 Abs. 2 BGB hänge die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Kindsvater entgegen dem Wortlaut der Vorschrift nicht davon ab, dass dies "dem Wohl des Kindes dient". Die elterliche Sorge sei auf den Kindsvater vielmehr schon dann zu übertragen, wenn "dies dem Kindeswohl nicht widerspricht".
Der Beschluss des AG Bayreuth vom 9.7.2010 wurde den Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten K. am 14.7.2010 zugestellt. Mit am 10.8.2010 beim AG Bayreuth eingegangenem Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten beantragte die Beteiligte K. Verfahrenskostenhilfe für das beabsichtigte Beschwerdeverfahren. Mit Beschluss des OLG Bamberg vom 11.10.2010 wurde der Beteiligten K. für die beabsichtige Beschwerde gegen den Beschluss des AG Bayreuth vom 9.7.2010 Verfahrenskostenhilfe bewilligt. Mit Schriftsatz vom 18.10.2010 legte die Beteiligte K. gegen den Beschluss des AG Bayreuth vom 9.7.2010 Beschwerde ein und beantragte hinsichtlich der Versäumung der Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Mit Beschluss des OLG Bamberg vom 18.11.2010 wurde der Beteiligten K. wegen Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Beschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Die Großmutter des Kindes vertritt die Auffassung, der angefochtene Beschluss verstoße mit seiner Begründung gegen die Vorschrift des § 1678 BGB in seiner gültigen Fassung. Danach sei zur Übertragung der elterlichen Sorge auf den Kindsvater eine positive Kindeswohlprüfung vorzunehmen. Auf diese habe die angefochtene Entscheidung verzichtet und aus verfassungsrechtlichen Erwägungen lediglich geprüft, ob die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater dem Kindeswohl nicht widerspreche. Es sei zwar richtig, dass es in der Literatur Stimmen gebe, die die Auffassung vertreten, dass § 1678 BGB verfassungskonform dahingehend auszulegen sei, dass eine Übertragung d...