Entscheidungsstichwort (Thema)
OWi-Verwerfungsurteil während Urlaubs des Betroffenen
Leitsatz (amtlich)
Ein vom Betroffenen gebuchter und bereits angetretener Kurzurlaub im benachbarten Ausland steht dem Erlass eines Verwerfungsurteils nach § 74 II OWiG nicht ausnahmslos entgegen. Im Einzelfall kann es dem Betroffenen unbeschadet der damit verbundenen Unannehmlichkeiten auch zumutbar sein, einen Kurzurlaub im benachbarten Ausland einen Tag früher als geplant zu beenden, um sein Erscheinen in der Hauptverhandlung zu ermöglichen (Anschluss an OLG Brandenburg, Beschluss vom 27.03.2008 - 1 Ss 19/08 [bei [...]]).
Normenkette
GG Art. 103 I; StPO § 217 Abs. 2; OWiG § 74 Abs. 2
Tatbestand
Mit Bußgeldbescheid vom 12.05.2010 setzte die Bußgeldstelle gegen den Betr. wegen einer am 05.04.2010 begangenen Ordnungswidrigkeit gemäß § 24 a I StVG u.a. eine Geldbuße in Höhe von 505 € sowie ein einmonatiges Fahrverbot fest. Den hiergegen fristgerecht eingelegten Einspruch des Betr. hat das AG gemäß § 74 II OWiG verworfen, weil der zum Termin vom 06.12.11 ebenso wie sein Verteidiger ordnungsgemäß am 23.11.11 unter Beifügung einer Belehrung geladene und vom persönlichen Erscheinen nicht entbundene Betr. im Termin nicht erschienen ist und sein Fernbleiben nach Auffassung des AG nicht hinreichend entschuldigt hat. Soweit der Betr. mit Verteidigerschriftsatz vom 05.12.2011 mitteilte, keine Ladung erhalten zu haben, ging das AG von einer "Schutzbehauptung" aus, nachdem in der Zustellungsurkunde seitens des Zustellers unterschriftlich bestätigt wird, dass er die Sendung in den Briefkasten eingelegt habe. Auch sei die Ladung unter der richtigen Anschrift in L. in der T-Straße zugestellt worden, zumal der Betr. selbst noch am 16.09.2011 gegenüber dem Standesamt V. diese als seine gültige Anschrift angegeben habe. Mit der gegen das Verwerfungsurteil gerichteten Rechtsbeschwerde rügt der Betr. die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Mit der Verfahrensrüge macht er insbesondere geltend, er sei zu dem Termin nicht ordnungsgemäß geladen worden. Vielmehr habe er von dem Termin erst am Tag vor der Hauptverhandlung über seinen Verteidiger erfahren, als er sich bereits in einem in der Zeit vom 03. bis 06.12.2011 geplanten Kurzurlaub in Tirol/Österreich befunden habe. Das Gericht hätte deshalb seinem Terminsaufhebungsantrag vom 05.12.2011 entsprechen müssen, nachdem die Hotelreservierung bereits am 10.10.2011 erfolgt sei, zumal er bei rechtzeitiger Ladung den Urlaub noch hätte stornieren können. Das Rechtsmittel blieb ohne Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 79 I 1 Nrn. 1 und 2 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde hat weder mit der Sachrüge noch mit der insoweit den Anforderungen des § 344 II 2 StPO i.V.m. § 79 III 1 OWiG (noch) entsprechenden Verfahrensrüge einer Verletzung von §§ 74 II, 46 I OWiG, 217 II StPO Erfolg, mit der zugleich eine Versagung des rechtlichen Gehörs sowie eine Missachtung des Gebots eines fairen Verfahrens geltend gemacht wird. Zwar ist das angefochtene Urteil [...] insoweit fehlerhaft, als das AG die von dem Betr. vorgetragenen Entschuldigungsgründe nur unvollständig mitgeteilt und erörtert hat. Auf diesem Darstellungsmangel beruht das Urteil aber nicht, weil das Vorbringen des Betr. von vornherein nicht geeignet war, sein Ausbleiben in der Hauptverhandlung genügend zu entschuldigen.
1.
Nach dem durch die Verfahrensakten bewiesenen Rechtsmittelvorbringen liegt den prozessordnungsgemäß erhobenen Verfahrensrügen im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde: Zuletzt mit Verfügung vom 18.08.2011 bestimmte das AG Termin zur Hauptverhandlung auf den 27.09.2011. Dieser wurde mit Verfügung vom 05.09.2011 wegen Verhinderung des Verteidigers auf den 28.09.2011 verlegt. Mit weiterer Verfügung vom 22.09.2011 wurde der Termin vom 28.09.2011 wegen Verhinderung des Betr. (Niederkunft der Lebensgefährtin) auf den 15.11.2011 verlegt. Mit Verfügung vom 15.11.2011 wurde der Termin vom 15.11.2011 wiederum wegen Verhinderung des Betr. (Erkrankung) auf den 29.11.2011 verlegt. Mit Verfügung vom 22.11.2011 wurde der Termin vom 29.11.2011 schließlich wegen Unmöglichkeit der Einhaltung der Ladungsfrist bezüglich des Betr. auf den 06.12.2011 verlegt. Die an die Wohnanschrift des Betr. in der T-Straße in L. gerichtete Terminsladung wurde ausweislich der Postzustellungsurkunde am 23.11.2011 durch den Postzusteller in einen "zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt". Nach dem Ergebnis der im Rahmen des Wiedereinsetzungsverfahrens gemäß § 74 IV 1 OWiG durchgeführten Beweisaufnahme ist die Terminsladung am 23.11.2011 durch den Postzusteller entweder in den zu den Geschäftsräumen der Fa. N.-Haustechnik GmbH gehörenden Briefkasten in der M.-Straße in L. eingeworfen oder einem in dieser Firma tätigen und vertretungsweise für die Postannahme zuständigen Angestellten übergeben worden. Bei der Fa. N.-Haustechnik GmbH handelte es sich um die ehemalige Firma des Betr., in der dieser auch...