Entscheidungsstichwort (Thema)

Herausgabe

 

Normenkette

BRAGO § 6

 

Verfahrensgang

LG Coburg (Beschluss vom 16.10.1990; Aktenzeichen 1 O 214/89)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Kläger wird der Kostenfestsetzungsbeschluß des Landgerichts Coburg – Rechtspflegerin – vom 16.10.1990 dahin abgeändert, daß die den Klägern von dem Beklagten zu erstattenden Kosten 1.925,14 DM. verzinslich ab 9.8.1990 mit 4 %, betragen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Erinnerungs- und Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Streitwert: 588,69 DM.

 

Gründe

Die fünf Kläger, die im zweiten Rechtszug als Erben der früheren Klägerin an deren Stelle in den Rechtsstreit eingetreten sind, haben sich mit der Erinnerung dagegen gewandt, daß mit Kostenfestsetzungsbeschluß vom 16.10.1990 von den Kosten ihres Prozeßbevollmächtigten im Berufungsverfahren lediglich eine 13/10-Prozeßgebühr als erstattungsfähig anerkannt worden ist und nicht gemäß § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO eine um viermal 3/10 erhöhte Prozeßgebühr unter dem Gesichtspunkt mehrerer Auftraggeber.

Die (befristete) Erinnerung gilt nach Nichtabhilfe als sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung der Rechtspflegerin des Landgerichts und ist als solche zulässig und begründet.

Die von den Klägern geltend gemachte Erhöhungsgebühr ist erstattungsfähig. Die Frage, ob für den Prozeßbevollmächtigten von Miterben, die für eine verstorbene Prozeßpartei den Rechtsstreit aufgenommen haben, die Erhöhungsgebühr nach § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO erwächst, ist umstritten. Sie wird nach wohl noch überwiegender Meinung mit der Begründung verneint, das alte Auftragsverhältnis erlösche durch den Tod des Auftraggebers nicht (§§ 672, 675 BGB), die von diesem erteilte Prozeßvollmacht gelte fort (§ 86 ZPO), die Rechtsnachfolger träten lediglich in das bestehende Auftragsverhältnis ein (z. B. OLG Bamberg – 4. Zivilsenat – JurBüro 1978, 1179, mit zustimmender Anmerkung von Mümmler – darauf hat sich die Rechtspflegerin bezogen –; SchlHOLG JurBüro 1979, 524; OLG Frankfurt AnwBl 1981, 403; OLG Düsseldorf RPfleger 1982, 199; OLG Koblenz JurBüro 1988, 1162; Göttlich/Mümmler: BRAGO, 17. Aufl., Stichwort „Mehrere Auftraggeber” Ziff. 6.3 – a.A. z. B.: OLG München MDR 1985, 856; OLG Hamm Jur-Büro 1989, 192; HansOLG Hamburg MDR 1989, 830; SchlHOLG JurBüro 1990, 57, unter Aufgabe seiner früheren Auffassung, s.o.; Riedel/Sußbauer: BRAGO, 6. Aufl., § 6 RdNr. 14; Gerold/Schmidt (von Eicken): BRAGO, 10. Aufl., § 6 RdNr. 9).

Der Senat vermag der Auffassung, wonach die Erhöhungsgebühr nicht anfällt, nicht zu folgen. Es ist zwar nicht zu bestreiten, daß materiell-rechtlich das ursprüngliche Auftragsverhältnis im Zweifel – wenn sich nicht aus der konkreten Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses oder den Umständen etwas anderes ergibt – nicht durch den Tod des Auftraggebers erlischt und die Erben demnach in der Regel als Rechtsnachfolger in das von einem Auftraggeber begründete Rechtsverhältnis lediglich eintreten (daß der Geschäftsbesorgungsvertrag mit dem Prozeßbevollmächtigten von den Erben als zunächst gekündigt und dann derselbe Rechtsanwalt von ihnen – mit der Folge, daß § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO zweifelsfrei zur Anwendung käme – als neu beauftragt anzusehen ist, kann nicht ohne weiteres angenommen werden; ein solcher Fall liegt hier auch nicht vor). Dann auch nur von einem Auftraggeber – von nur einem ging der Auftrag aus – i.S.d. § 6 Abs. 1 BRAGO zu sprechen, wirkt zunächst folgerichtig. Eine solche Auslegung wird jedoch nur dem Wortlaut der genannten Bestimmung gerecht. Sie verfehlt deren Sinn und Zweck.

Der Bestimmung liegt die Vorstellung zugrunde, daß der Aufwand des Rechtsanwalts größer ist, wenn er von mehreren Auftraggebern beauftragt wurde. Das wird auch regelmäßig der Fall sein. Deshalb ist es zu rechtfertigen, daß aus Gründen der Praktikabilität bei Anwendung des § 6 Abs. 1 BRAGO nicht geprüft wird, ob der Rechtsanwalt tatsächlich wegen mehrerer Auftraggeber Mehrarbeit hatte. Dieser Umstand erlaubt es jedoch nicht, bereits den Akt der Auftragserteilung als mit dem wesentlichen Gewicht der Mehrarbeit des Auftragnehmers verbunden zu sehen. Wenn mehrere Auftraggeber zu einem höheren Arbeitsaufwand des Rechtsanwalts führen, so kann dieser gleichermaßen im Zuge der Ausführung des Auftrags anfallen, mit dem Erfordernis, Rücksprache zu nehmen und weitere Informationen und Weisungen einzuholen. Treten aber Miterben für den ursprünglichen Auftraggeber in das Verfahren ein, so liegt die Sache nicht anders: Auch in einem solchen Fall kann und wird in der Regel bei der weiteren Ausführung des Auftrags infolge der größeren Zahl von Personen, mit denen es der Auftragnehmer auf Auftraggeberseite zu tun hat, Mehrarbeit für ihn entstehen. Der Geschäftsbesorgungsvertrag verpflichtet ihn, mit den Erben in Verbindung zu treten, ihnen den Stand des Verfahrens mitzuteilen, ihnen die Risikolage zu erläutern und Weisungen einzuholen. Auch hier kann es wegen unterschiedlicher Interessenlage der Personen für ihn zu erheblichem Mehraufwand kommen. Es ist deshalb n...

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