Normenkette
ZPO §§ 3-4, 485 ff.; BRAGO § 9; GKG § 25
Verfahrensgang
LG Bamberg (Aktenzeichen 2 OH 37/00) |
Tenor
Auf die Beschwerden der Rechtsanwälte … und Kollegen und der Rechtsanwälte … und Kollegen wird der Beschluss des LG Bamberg vom 8.8.2002 abgeändert.
Der Wert des Streitgegenstandes im selbstständigen Beweisverfahren wird auf 127.822,97 Euro festgesetzt.
Gründe
1. Die Antragsteller haben in B. ein Wohnhaus errichtet. Die Antragsgegner waren mit der Planung des Bauvorhabens bzw. mit verschiedenen Gewerken beauftragt. Die Antragsteller haben verschiedene Mängel gerügt und beantragt, in einem selbstständigen Beweisverfahren das Gutachten eines Sachverständigen dazu zu erholen, dass die Mängel vorliegen und welche Kosten für ihre Beseitigung anfallen werden. Gestützt auf die Schätzung eines privaten Sachverständigen haben sie diese Kosten mit 250.000 DM veranschlagt und den Streitwert des Verfahrens mit diesem Betrag angegeben. Das LG hat das Gutachten eingeholt. Der Sachverständige hat den überwiegenden Teil der Mängel bejaht und die Sanierungskosten mit 112.000 Euro bis 119.000 Euro ermittelt. Das LG hat den Streitwert des Verfahrens auf (Mittelwert der vom Sachverständigen angenommenen Sanierungskosten 115.500 Euro × 75 % = ) 86.625 Euro festgesetzt. Hiergegen haben die Rechtsanwälte … und Kollegen, Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners zu 2), Beschwerde eingelegt. Sie sind der Ansicht, der Streitwert betrage richtigerweise (250.000 DM =) 127.822,97 Euro. Das LG hat nicht abgeholfen. Die Prozessbevollmächtigten der Antragsteller, die Rechtsanwälte … und Kollegen, haben ebenfalls Beschwerde eingelegt. Sie beantragen, den Streitwert auf 115.000 Euro festzusetzen. Die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin zu 3) haben sich den Ausführungen der Rechtsanwälte … und Kollegen angeschlossen.
2. Die Beschwerden sind zulässig (§§ 9 Abs. 2 BRAGO, 25 Abs. 3 GKG) und begründet.
a) Das LG ist vom Mittelwert der Kosten ausgegangen, die der Sachverständige als Ergebnis seines Gutachtens für die Sanierung der Mängel angenommen hat, soweit sie tatsächlich vorliegen. Das ist unrichtig. Der Streitwert eines selbstständigen Beweisverfahrens richtet sich nach dem Interesse des Antragstellers an der Klärung bestimmter Beweisfragen zur Durchsetzung eines mutmaßlichen Hauptsacheanspruchs. Maßgebend ist dabei der Zeitpunkt der Einreichung der Antragsschrift (§ 4 Abs. 1 ZPO). Es kommt deshalb nach der st. Rspr. des Senats nicht auf das Ergebnis der Beweisaufnahme, sondern auf den Vortrag des Antragstellers zu Beginn des Verfahrens an, wenn wie hier bestimmte Mängel begutachtet und der Aufwand für ihre Beseitigung festgestellt werden sollen (vgl. OLG Bamberg, Beschl. v. 15.2.1999 – 3 W 172/98, OLGReport Bamberg 1999, 295; Beschl. v. 15.4.1998 – 3 W 28/98, OLGReport Bamberg 1998, 282; v. 24.7.1998 – 3 W 90/98; v. 5.12.2000 – 3 W 133/00; vgl. auch OLG Köln JurBüro 1992, 191). Vorliegend haben die Antragsteller den Streitwert in der Antragsschrift, gestützt auf die Schätzung eines privaten Gutachters, mit 250.000 DM beziffert. Das zeigt, dass sie mit Kosten in dieser Höhe gerechnet haben. Das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen hat ergeben, dass diese Einschätzung realistisch war. Deshalb kennzeichnet sie das Interesse der Antragsteller an dem Beweisverfahren (Zöller, ZPO, 23. Aufl., § 3 Rz. 16 – Selbstständiges Beweisverfahren). Da auf die (realistisch eingeschätzten) Sanierungskosten bei Einleitung des Verfahrens abzustellen ist, kommt es auf das Ergebnis der Beweisaufnahme nicht an, wenn wie hier bestimmte Mängel begutachtet und der Aufwand für ihre Beseitigung festgestellt werden sollen (OLG Köln JurBüro 1992, 191; Bischof, JurBüro 1992, 779 [780] m.w.N.; Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 11. Aufl., Rz. 4024a; OLG Bamberg, Beschl. v. 24.7.1998 – 3 W 90/98). Wollte man auf die vom gerichtlichen Sachverständigen ermittelten Kosten abstellen, widerspräche das § 4 Abs. 1 ZPO und hätte zur Folge, dass sich der Streitwert auf Null reduziert, wenn der Sachverständige Mängel gänzlich verneint.
b) Der genannte Wert ist nicht herabzusetzen, sondern in voller Höhe zum Streitwert des Verfahrens zu bestimmen. Der Senat hat allerdings bisher in st. Rspr. die Ansicht vertreten, gem. § 3 ZPO sei wegen des vorläufigen Charakters des Beweisverfahrens ein Abschlag von 25 % vorzunehmen (u.a. OLG Bamberg, Beschl. v. 5.12.2000 – 3 W 133/00 m.w.N.). Er hält daran aber nach erneuter Prüfung nicht fest.
Die bisherige Rechtsprechung beruhte auf der Überlegung, dass das selbstständige Beweisverfahren nur dazu dient, die eigentlichen Ansprüche des Antragstellers vorzubereiten und damit deren spätere Durchsetzung zu erleichtern. Dabei bleibt im Fall des Beweisverfahrens außerhalb eines Streitverfahrens ungewiss, ob es später überhaupt zu einem solchen kommt. Zu einem vollstreckbaren Titel führt das Verfahren für den Antragsteller nicht.
Die inzwischen überwiegende Rechtsprechung folgt dieser Ansicht nicht mehr (vgl. die Zitate bei Zöller, ...