Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen für die Anwendung der Härteklausel
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Versagung der Ehescheidung können nur solche Härten führen, die durch den Scheidungsausspruch selbst verursacht oder wesentlich mitverursacht werden. Eine allein durch das Scheitern der Ehe verursachte Härte genügt nicht.
2. Die Scheidung darf nicht allein deshalb versagt werden, weil sie von dem Ehegatten, der sie ablehnt, aufgrund seiner inneren Verfassung und Einstellung als besondere Härte empfunden werden würde.
3. Selbst wenn die Ehescheidung, also der Scheidungsausspruch, an sich eine Depression und damit einhergehende Gedanken vertiefen würde, ist viel tiefgreifender die Trennung der Beteiligten und die damit einhergehenden Lebensveränderungen auf die Beteiligten und die grundlegende psychische Disposition des Ehegatten, der nicht geschieden werden will.
4. Eine schwere Härte ist dann zu verneinen, wenn demjenigen, welcher die Härte vorbringt, selbst die innere Bereitschaft fehlt, die Ehe fortzusetzen.
Normenkette
BGB § 1568 Abs. 1 Altern. 2
Verfahrensgang
AG Coburg (Aktenzeichen 001 F 425/21) |
Tenor
1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Endbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Coburg vom 26.08.2021 wird zurückgewiesen.
2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 10.194,00 Euro festgesetzt.
4. Der weitere Antrag der Antragsgegnerin auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Verfahren der Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Coburg vom 26.08.2021 wird zurückgewiesen.
5. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Beteiligten sind seit 19.08.2019 miteinander verheiratete Ehegatten. Die Ehe wurde vor dem Standesbeamten des Standesamtes ... geschlossen. Der Scheidungsantrag wurde der Antragsgegnerin am 24.07.2021 zugestellt. Die Ehegatten leben seit spätestens 26.08.2020 getrennt.
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 20.07.2021, der Antragsgegnerin zugestellt am 24.07.2021, beantragte der Antragsteller die Ehescheidung.
Am 03.08.2021 wurde der Antragsteller persönlich angehört. Er teilte mit, dass er die Ehe für gescheitert halte und geschieden werden wolle.
Am 26.08.2021 wurden die Antragsgegnerin angehört. Die Antragsgegnerin lehnte bei der Anhörung die Ehescheidung ab. Sie habe zwar die Trennung dem Antragsteller am 26.08.2020 mitgeteilt, jedoch möchte sie, dass der Ehemann ihr spätestens nach 3 Jahren nachweise, dass er nicht mehr alkoholabhängig sei. Dann könne über eine neue Lebensgemeinschaft nachgedacht werden. Zudem teilte die Antragsgegnerin mit, dass sie grundsätzlich suizidgefährdet sei und durch die Scheidung noch weniger Perspektiven im Leben sehe. Ihr Vertreter teilte mit, dass eine grundsätzliche Suizidgefahr gegeben sei und die Ehescheidung ein weiterer Grund wäre, sich das Leben zu nehmen.
Mit Endbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Coburg vom 26.08.2021, zugestellt der Antragsgegnerin am 22.09.2021, führte das Amtsgericht - Familiengericht - Coburg die Ehescheidung durch.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Ehe der Ehegatten gescheitert sei. Der Antragsteller wolle nicht mehr an der Ehe festhalten. Es könne insgesamt nicht mehr erwartet werden, dass die Ehegatten die Lebensgemeinschaft wiederherstellen. Es genüge, dass sich ein Ehegatte endgültig abgewendet habe. Auch die Antragsgegnerin wolle zumindest derzeit nicht mehr mit dem Antragsteller in einem Haushalt leben. Es lägen auch keine Härtegründe i. S. v. § 1568 BGB vor, welche eine derzeitige Scheidung ausschließen würden. Zwar sei die Antragsgegnerin psychisch erkrankt, jedoch würde eine Scheidung sich allenfalls nur zeitlich verschieben. Zudem sei die Antragsgegnerin bereits jetzt mit dem Scheitern der Ehe konfrontiert. Die größte Belastung sei durch die Trennung ausgelöst worden.
Mit Schreiben vom 24.09.2021, eingegangen beim Amtsgericht am 27.09.2021, legt die Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Coburg vom 02.09.2021 Beschwerde ein mit dem Ziel, den Scheidungsantrag zurückzuweisen. Zugleich wird die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung ihres Rechtsanwalts beantragt.
Zur Begründung führt die Antragsgegnerin aus, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen würden, aufgrund derer der Antrag auf Scheidung hätte zurückgewiesen werden müssen. Zum Zeitpunkt der Antragstellung der Scheidung bis zur Terminierung des Scheidungsverfahrens sei die Antragsgegnerin wegen Suizidgefährdung in einer geschlossenen Abteilung einer Klinik gewesen. Schon die Trennung der Beteiligten hätte zu einer Perspektivlosigkeit bei der Antragsgegnerin geführt. Die Scheidung würde die Perspektivlosigkeit der Antragsgegnerin noch deutlich vergrößern und ihre Suizidgefährdung erheblich steigern. Zum Beweis dafür bietet die Antragsgegnerin ein Sachverständigengutachten an. Die Antragsgegnerin möchte lediglich, dass sich der Antragsteller einer Entziehungskur unterziehe und wolle dana...