Leitsatz (amtlich)
1. Zur Härteklausel des § 1568 Abs. 1 Alt. 1 BGB (kindbezogene Gründe): das Eingreifen des Härtegrundes setzt voraus, dass durch die Scheidung selbst solche atypischen, ungewöhnlichen Folgen verursacht werden, dass die Aufrechterhaltung der Elternehe im Kindesinteresse notwendig ist, und dass sich die Situation des Kindes durch das Absehen vom Scheidungsausspruch verbessert.
2. Wenn die Scheidung der Ehe ausgesprochen wird, ohne dass über den von Amts wegen durchzuführenden Versorgungsausgleichs in der Sache entschieden wurde, handelt es sich beim Scheidungsausspruch um eine unzulässige Teilentscheidung. Die Aufhebung und Zurückverweisung in der Folgesache Versorgungsausgleich führt zur Aufhebung und Zurückverweisung des Scheidungsausspruchs zur Aufrechterhaltung des Verbundes in erster Instanz, da das Gebot der einheitlichen Endentscheidung nach § 142 Abs. 1 Satz 1 FamFG grundsätzlich jeder vorab oder getrennt ergehenden Teilentscheidung entgegensteht und auch in der Rechtsmittelinstanz gilt.
Normenkette
BGB § 1568 Abs. 1; FamFG § 142 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
AG Albstadt (Beschluss vom 06.06.2023; Aktenzeichen 2 F 305/22) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Albstadt vom 06.06.2023 (AZ 2 F 305/22) aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten beider Instanzen, an das Amtsgericht - Familiengericht - Albstadt zurückverwiesen.
2. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 12.700,00 EUR festgesetzt (Ehesache 11.700,00 EUR, Versorgungsausgleich 1.000,00 EUR).
Gründe
I. Die Antragsgegnerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen den Scheidungsverbundbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Albstadt vom 06.06.2023. Sie möchte erreichen, dass der Ehescheidungsantrag zurückgewiesen, hilfsweise der Versorgungsausgleich durchgeführt wird.
Der Antragsteller und die Antragsgegnerin haben am 27.06.2003 die Ehe geschlossen. Der Antragsteller ist türkischer Staatsangehöriger, die Antragsgegnerin hat die griechische und die deutsche Staatsbürgerschaft. Aus der Ehe der Beteiligten sind die beiden Töchter Di., geb. am 31.10.2004, und D., geb. am 28.07.2008, hervorgegangen. Die Beteiligten leben seit September 2021 getrennt. Zum damaligen Zeitpunkt ist der Antragsteller aus der Ehewohnung ausgezogen. Die minderjährige Tochter D. hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt bei der Antragsgegnerin.
Der Antragsteller hat erstinstanzlich vorgetragen, die Ehe des Antragstellers und der Antragsgegnerin sei zerrüttet und als unwiderruflich gescheitert anzusehen. Der Antragsteller habe sich von der Antragsgegnerin abgewandt und werde schon aufgrund seiner aktuellen Lebensplanung nicht mehr zu ihr zurückkehren. Die Kinder der Beteiligten würden seinen Scheidungswunsch respektieren. Die Trennung der Eltern habe zu keiner besonderen Belastung bei ihnen geführt. Der Antragsteller wolle, dass die Ehe der Beteiligten geschieden werde.
Der Antragsteller hat beantragt,
die am 27.06.2003 vor dem Standesbeamten des Standesamtes Albstadt geschlossene Ehe der Beteiligten zu scheiden.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Ehescheidungsantrag abzuweisen.
Die Antragsgegnerin hat erstinstanzlich im Wesentlichen ausgeführt, sie liebe den Antragsteller noch immer und wolle, auch im Interesse der Kinder, an der Ehe festhalten. Sie sei fest davon überzeugt, dass die Ehe nicht endgültig gescheitert sei und glaube, der Antragsteller werde zu ihr zurückkehren. Die Kinder träfen sich mit dem Antragsteller und würden mit ihm reden, falls sie etwas benötigen würden.
Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Familiengericht die Ehe geschieden und weiter ausgesprochen, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfinde.
Zur Begründung führt das Familiengericht im Wesentlichen aus, auf die Ehescheidung finde deutsches Recht Anwendung, da beide Beteiligte zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland gehabt hätten. Es könne nicht erwartet werden, dass die Beteiligten ihre eheliche Lebensgemeinschaft wieder herstellen würden, da der Antragsteller glaubhaft bekundet habe, er wolle an der Ehe nicht mehr festhalten. Der Versorgungsausgleich sei nicht durchzuführen, weil die Voraussetzungen nach Art. 17 Abs. 4 Satz 1 EGBGB nicht vorlägen und kein Ehegatte die Durchführung des Versorgungsausgleichs gemäß Art. 17 Abs. 4 Satz 2 EGBGB beantragt habe.
Gegen die Entscheidung des Familiengerichts, die der Antragsgegnerin am 14.06.2023 zugestellt wurde, hat sie mit Schriftsatz vom 11.07.2023, eingegangen beim Amtsgericht Albstadt am 12.07.2023, Beschwerde eingelegt und dabei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sowohl der Beschlusstenor Ziff. 1 als auch der Beschlusstenor Ziff. 2 angefochten würden.
Die Antragsgegnerin trägt im Wesentlichen vor, die minderjährige Tochter D. der Beteiligten leide seit der Trennung an depressiven Verstimmungen. Zudem lehne sie immer wieder jeden Kontakt mit anderen Personen ab und schl...