Leitsatz (amtlich)
1. Will eine Partei ihren Ablehnungsantrag darauf stützen, dass der Sachverständige ein Näheverhältnis zu einer Prozesspartei nicht offengelegt hat, so hat sie ihr Ablehnungsgesuch unverzüglich nach Ablauf des Zeitraums zu erheben, in dem der Sachverständige zur Mitteilung desselben gemäß § 407a Abs. 2 Satz 2 ZPO verpflichtet gewesen wäre.
2. Unterzeichnet ein Sachverständiger sein Gutachten gemeinsam mit einer weiteren Person mit dem Zusatz "Nach gemeinsamer Durchsicht", so ergibt sich hieraus hinreichend deutlich die Übernahme der uneingeschränkten persönlichen Gesamtverantwortung für den Inhalt des Gutachtens.
3. Benennt ein Sachverständiger eine zur Gutachtenerstattung hinzugezogene Person oder den Umfang ihrer Tätigkeit entgegen § 407a Abs. 3 ZPO nicht, begründet dies regelmäßig keine Besorgnis der Befangenheit.
4. Mangelnde Sachkunde des Sachverständigen lässt grundsätzlich keinen Schluss auf dessen Unparteilichkeit zu.
Normenkette
ZPO § 406 Abs. 2, §§ 407a, 411 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Würzburg (Beschluss vom 19.06.2024; Aktenzeichen 11 O 1774/22 Hei) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Landgerichts Würzburg vom 19.06.2024, Az. 11 O 1774/22 Hei, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
4. Der Beschwerdewert wird auf 9.658,26 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten um Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche der Klägerin aus behaupteten Behandlungsfehlern im Zusammenhang mit der Entbindung der Klägerin im Klinikum der Beklagten zu 1) am xx.xx.2017. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 27.06.2023, ergänzt durch Beschluss vom 18.01.2024, die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zur Frage der Fehlerhaftigkeit der Behandlung angeordnet und nach Anhörung der Parteien mit Beschluss vom 04.10.2023 die Sachverständige Prof. Dr. A. mit der Erstellung des Gutachtens beauftragt. Diese hat am 11.01.2024 um die Anforderung weiterer Unterlagen bei der Beklagten zu 1) gebeten.
Das Gutachten der Sachverständigen vom 19.02.2024 ist der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 11.03.2024 zugestellt worden. Die der Klägerin eingeräumte Stellungnahmefrist ist antragsgemäß bis zum 21.05.2024 verlängert worden.
Mit dem am 21.05.2024 bei dem Landgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag hat die Klägerin die Sachverständige Prof. Dr. A. wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, weil sie das Gutachten offensichtlich nicht persönlich erstellt und ein Näheverhältnis zur Beklagten zu 1) aus dem Studium und der anschließenden Promotion in der Zeit zwischen ... und ... nicht offengelegt habe. Zudem sei die Sachverständige in dem Gutachten mit der Beantwortung einer Frage zu einer Traumatisierung außerhalb ihres Fachgebietes tätig geworden.
Die Beklagten sind dem Befangenheitsgesuch der Klägerin mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 11.06.2024 entgegengetreten. Die Sachverständige hat eine Stellungnahme zum Ablehnungsgesuch nicht abgegeben.
Das Landgericht hat den Ablehnungsantrag mit Beschluss vom 19.06.2024 als unbegründet zurückgewiesen. Im medizinischen Bereich sei es üblich und nicht zu beanstanden, dass beauftragte Sachverständige ihre Mitarbeiter in die Gutachtenserstattung einbinden. Die Sachverständige habe durch ihre Unterschrift und dem Vermerk "Nach gemeinsamer Durchsicht" die Verantwortung für das Gutachten übernommen. Aus dem Studium und der Promotion der Sachverständigen an der Universität ... lasse sich die Besorgnis der Befangenheit nicht ableiten. Auch hätte die Klägerin entsprechende Bedenken gegen die im Oktober 2023 beauftragte Sachverständige bereits früher geltend machen müssen. Die Beantwortung der Frage zu einer Traumatisierung sei aus fachmedizinischer "geburtshilflicher" Sicht erfolgt, was das Befangenheitsgesuch ebenfalls nicht trage. Gleiches gelte für inhaltliche oder sachliche Fehler im Gutachten.
Gegen diesen am 20.06.2024 zugestellten Beschluss wendet sich die am 04.07.2024 bei dem Landgericht eingegangene sofortige Beschwerde der Klägerin vom gleichen Tag, die mit Schriftsatz vom 30.07.2024 begründet worden ist. Aus dem von der Sachverständigen bei ihrer Unterschrift unter dem Gutachten angebrachten Vermerk "Nach gemeinsamer Durchsicht" lasse sich die Übernahme der Gesamtverantwortung für die gutachterlichen Ausführungen nicht entnehmen. Die Pflicht zur persönlichen Gutachtenerstellung sei verletzt, das Gutachten nicht verwertbar. Zu einer früheren Geltendmachung der Nähebeziehung der Sachverständigen zur Beklagten zu 1) sei die Klägerin nicht gehalten gewesen. Sie habe zunächst deren Offenlegung im schriftlichen Gutachten abwarten dürfen. Zur Beantwortung der Frage nach einer Traumatisierung fehle der Sachverständigen das medizinische Fachwissen.
Das Landgericht hat der Beschwerde gemäß Beschluss vom 31.07.2024 nicht abgeholfen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die von den Parteien vorgelegten Schriftsätze ne...