Leitsatz (amtlich)
Für die Verjährungsunterbrechung nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 OWiG aufgrund vorläufiger Einstellung des Verfahrens wegen Abwesenheit kommt es weder auf die tatsächliche Abwesenheit des Betroffenen an, noch muss ein diesbezüglicher Irrtum der Verfolgungsbehörde unverschuldet sein (im Anschluss an BGH NStZ 1985, 545; NJW 1981, 133; entgegen OLG Karlsruhe NStZ-RR 2000, 247; OLG Hamm NZV 2005, 491 und OLG Brandenburg NZV 2006, 100).
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts M. vom 21. April 2006 wird als unbegründet verworfen.
Die Betroffene hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht verurteilte die Betroffene wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 43 km/h zu einer Geldbuße von 100 EUR und einem Fahrverbot für die Dauer von einem Monat. Hiergegen wendet sich die Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt; insbesondere ist sie der Auffassung, dass die in Frage stehende Ordnungswidrigkeit verjährt sei.
II.
Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der zulässigen Rechtsbeschwerde (§ 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG) hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Betroffenen ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG).
1.
Die der Betroffenen zur Last gelegte Ordnungswidrigkeit ist nicht verjährt.
Die Geschwindigkeitsüberschreitung wurde nach den Feststellungen des Amtsgerichts am 08.04.2005 begangen. Die Verjährungsfrist beträgt gemäß §§ 24, 26 Abs. 3 StVG drei Monate und nach Erlass des wirksam zugestellten Bußgeldbescheides sechs Monate. Bis zum Erlass des Urteils ist die Verfolgungsverjährung mehrfach und jeweils rechtzeitig durch Maßnahmen nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 5, 9, 10 und 11 OWiG unterbrochen worden.
a)
Zwar hat der Erlass des Bußgeldbescheides am 20.06.2005 die Verjährung nicht nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 OWiG unterbrochen, da er nicht binnen zwei Wochen, sondern erst am 23.07.2005 wirksam zugestellt werden konnte. In einem solchen Fall tritt die Unterbrechung erst durch die spätere Zustellung ein (Göhler OWiG 14. Aufl. § 33 Rn. 35). Zu diesem Zeitpunkt war jedoch noch keine Verjährung eingetreten, da diese durch die am 28.06.2005 erfolgte vorläufige Einstellung des Verfahrens wegen Abwesenheit der Betroffenen gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 OWiG wirksam unterbrochen worden war und die Verjährung deshalb neu zu laufen begonnen hatte (§ 33 Abs. 3 Satz 1 OWiG).
b)
Wie sich den Akten, die dem Senat aufgrund des von Amts wegen zu prüfenden Verfahrenshindernisses zugänglich sind, entnehmen lässt, war die Betroffene tatsächlich nicht unbekannten Aufenthalts. Da der unter der ermittelten Hauptwohnung in der L.-Straße in B. versandte Anhörungsbogen nicht in Rücklauf gekommen war, wurde die örtliche Polizeidienststelle in B. mit der Anhörung des Fahrers beauftragt. Diese stellte die polizeiliche Meldung der Betroffenen unter zwei weiteren Nebenwohnungen, nämlich in der K.-Alle in B. und in der P.-Straße in N. fest, wobei sich die Betroffene nach deren Ermittlungen zur damaligen Zeit hauptsächlich in B. aufhalten sollte. Aufgrund eines offensichtlichen Versehens wurde der Bußgeldbescheid unter der Anschrift P-Straße in B. versandt und konnte dort zwangsläufig nicht zugestellt werden. Daraufhin stellte der Sachbearbeiter der zentralen Bußgeldstelle mit Verfügung vom 28.06.2005 das Verfahren wegen unbekannten Aufenthalts vorläufig ein und veranlasste die Aufenthaltsermittlung durch eine Anfrage beim Einwohnermeldeamt in B., woraufhin ihm die bereits bekannte Anschrift K.-Allee in B. mitgeteilt wurde. Unter dieser Anschrift konnte der Bußgeldbescheid sodann am 23.07.2005 zugestellt werden.
c)
Gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 OWiG unterbricht die vorläufige Einstellung des Verfahrens wegen Abwesenheit des Betroffenen durch die Verfolgungsbehörde oder den Richter die Verjährung. Die enumerative Aufzählung der verjährungsunterbrechenden Handlungen in § 33 OWiG sollte - wie in § 78 c StGB - gegenüber der früher geltenden Regelung der Rechtsklarheit und damit der Rechtssicherheit dienen, weil angesichts des Gewichts der Unterbrechungshandlungen und damit ihrer generellen Eignung zur ernstlichen Förderung der Verfolgung im Einzelfall keine Prüfung mehr notwendig sein sollte, ob die Unterbrechungshandlung zur Förderung des Verfahrens geeignet oder bestimmt war (BayObLGSt 1976, 28/30; 1979, 91/92; 1999, 128/129).
Hieraus folgt, dass den in § 33 OWiG aufgeführten Maßnahmen nur in engen Grenzen die Unterbrechungswirkung abgesprochen werden kann. Soweit sie nicht nichtig sind, tritt auch bei ihrer Fehlerhaftigkeit die Verjährungsunterbrechung ein (BGH NJW 1981, 133/134 ≪Unterbrechung durch einen wegen Mitwirkung eines ausgeschlossenen Richters fehlerhaften Eröffnungsbeschluss≫; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben StGB 27. Aufl. 2006 § 78 c Rn. 3). Insbesondere kommt es auf ihre konkrete Eignung zur Verfahrensförderung, das heißt, ob die getroffen...