Leitsatz (amtlich)
1. Bei einer Verfahrenseinstellung nach § 153a Abs. 1 StPO kann das Klageerzwingungsverfahren ausnahmsweise dann zulässig sein, wenn die Staatsanwaltschaft beim Zusammentreffen eines Verbrechens- und eines Vergehensverdachtes den hinreichenden Tatverdacht hinsichtlich des möglichen Verbrechenstatbestandes verneint und von der (weiteren) Verfolgung der Tat und der Erhebung der öffentlichen Klage unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Vergehens nach § 153a Abs. 1 StPO abgesehen hat.
2. Für die Zulässigkeit des Klageerzwingungsantrags muss sich in diesem Fall schon aus der Antragsbegründung jedoch substantiiert entnehmen lassen, dass und weshalb der Antragsteller gerade die Verdachtsbewertung der Staatsanwaltschaft im Hinblick auf einen bestimmten Verbrechenstatbestand für falsch hält und deshalb insoweit die Erhebung der öffentlichen Klage geboten ist.
Tenor
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid des Generalstaatsanwalts wird als unzulässig verworfen.
Gründe
Mit ihrem innerhalb der Frist des § 172 Abs. 2 Satz 1 StPO eingegangenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung wendet sich die von ihren Eltern vertretene 16-jährige Antragstellerin und Schülerin gegen den Bescheid des Generalstaatsanwalts, mit dem ihrer Beschwerde gegen die mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts und des Beschuldigten seitens der Staatsanwaltschaft unter dem 13.07.2010 verfügte (vorläufige) Einstellung des Verfahrens gemäß § 153 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StPO keine Folge gegeben wurde.
Der Antrag ist unzulässig.
1. Zwar kann nach zutreffender Auffassung auch im Falle einer (vorläufigen oder endgültigen) Verfahrenseinstellung nach § 153 a Abs. 1 StPO das Klageerzwingungsverfahren unbeschadet des gesetzlichen Ausschlusses in § 172 Abs. 2 Satz 3, 2. Alt. StPO ausnahmsweise dann zulässig sein, wenn die Staatsanwaltschaft beim Zusammentreffen eines Verbrechens- und eines Vergehensverdachtes den hinreichenden Tatverdacht hinsichtlich des möglichen Verbrechenstatbestandes verneint und von der (weiteren) Verfolgung der Tat und der Erhebung der öffentlichen Klage unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Vergehens nach § 153 a Abs. 1 StPO abgesehen hat (OLG Hamm MDR 1997, 285; Meyer-Goßner StPO 53. Aufl. § 172 Rn. 4; HK/Zöller StPO 4. Aufl. § 172 Rn. 11 und KK/Schmid StPO 6. Aufl. § 172 Rn. 42, jeweils m.w.N.). In diesem Fall muss sich aus der Antragsbegründung neben den sonstigen Begründungs- und Darlegungsanforderungen für die Zulässigkeit des Klageerzwingungsantrags gemäß § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO jedoch substantiiert entnehmen lassen, dass und weshalb der Antragsteller gerade die Verdachtsbewertung der Staatsanwaltschaft im Hinblick auf einen bestimmten Verbrechenstatbestand für falsch hält und deshalb insoweit die Erhebung der öffentlichen Klage in materieller und formeller Hinsicht geboten ist.
2. Diesen Darlegungsanforderungen wird die Antragsbegründung hier schon deshalb nicht gerecht, weil sie gerade nicht aufzeigt, im Hinblick auf welchen als Verbrechen im Sinne von § 12 Abs. 1 StGB ausgestalteten Straftatbestand von einer unzutreffenden Verdachtsbewertung der Staatsanwaltschaft auszugehen ist und deshalb eine auf Vergehen im Sinne von § 12 Abs. 2 StGB beschränkte Verfahrenseinstellung nach Opportunitätsgrundsätzen, insbesondere nach § 153 a Abs. 1 StPO, hier ausscheidet.
Nach der Legaldefinition in § 12 Abs. 1 und Abs. 2 StGB sind Verbrechen "rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind", während es sich bei "rechtswidrigen Taten, die im Mindestmaß mit einer geringeren Freiheitsstrafe oder (...) mit Geldstrafe bedroht sind", um Vergehen handelt.
Gemäß § 12 Abs. 3 StGB bleiben für die Bestimmung des Deliktscharakters "Schärfungen oder Milderungen, die nach den Vorschriften des Allgemeinen Teils oder für besonders schwere oder minder schwere Fälle vorgesehen sind, (...) außer Betracht".
Eine unzutreffende Verdachtsbewertung der Staatsanwaltschaft im Hinblick auf den hier aufgrund einer (Mindest-) Strafandrohung mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr nach Sachlage allein als Verbrechen in Betracht zu ziehenden Straftatbestand der sexuellen Nötigung gemäß § 177 Abs. 1 StGB, gegebenenfalls in einem besonders schweren Fall nach § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 (Vergewaltigung), wird jedoch vorliegend schon von der Antragstellerin selbst gar nicht beanstandet.
Zwar beantragt die Antragstellerin zu Beginn ihrer Antragsschrift, "durch gerichtliche Entscheidung die Erhebung der öffentlichen Klage gegen den Beschuldigten (...) wegen sexueller Nötigung anzuordnen". Aus der weiteren Antragsbegründung geht allerdings eindeutig hervor, dass die Antragstellerin allein deshalb eine Verletzung des Legalitätsprinzips beanstandet, weil die Staatsanwaltschaft nach ihrer Auffassung neben einer Strafbarkeit des Beschuldigten nach § 182 Abs. 2 StGB (sexueller Missbrauch von Jugendlichen) zu Unrecht insbesondere für das Tatgeschehen Ende Oktober und...