Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Schadensersatzanspruch des Erwerbers eines Diesel-Fahrzeugs mit Thermofenster
Leitsatz (amtlich)
1. Die aussichtslosen Berufungsangriffe erfordern keine Erörterung in mündlicher Verhandlung. (Rn. 16)
2. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach S 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Nr. 3 ZPO liegen nicht vor. (Rn. 16)
3. Der Senat regt daher - unbeschadet der Möglichkeit zur Stellungnahme - die kostengünstigere Rücknahme der aussichtslosen Berufung an, die zwei Gerichtsgebühren spart (vgl. Nr. 1220, 1222 Kostenverzeichnis GKG).
4. Bei einer Abschalteinrichtung wie dem Thermofenster, die im Grundsatz auf dem Prüfstand in gleicher Weise arbeitet wie im realen Fahrbetrieb und bei der sich die Frage der Zulässigkeit nicht eindeutig und unzweifelhaft beantworten lässt, bei Fehlen sonstiger Anhaltspunkte nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass die für den Fahrzeughersteller handelnden Personen in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen. (Rn. 26)
5. Dem Fahrzeughersteller steht zur Darlegung und Nachweis eines unvermeidbaren Verbotsirrtums die Möglichkeit offen, dass seine Rechtsauffassung von Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 715/2007 bei entsprechender Nachfrage von der für die EG-Typgenehmigung oder für anschließende Maßnahmen zuständigen Behörde bestätigt worden wäre (hypothetische Genehmigung). Dies gilt auch wenn der Schädiger eine entsprechende Erkundigung nicht eingeholt hat. (Rn. 44)
6. Hierzu muss der Fahrzeughersteller für jede verwendete Abschalteinrichtung konkret vortragen, dass die Behörde diese genehmigt hätte. Dem genügt der Fahrzeughersteller mit Rücksicht auf ihren Sinn und Zweck dann, wenn er eine hypothetische Genehmigung bezogen auf den konkreten Motor einer bestimmten Baureihe nachweist. (Rn. 45)
Normenkette
BGB §§ 31, 823 Abs. 2, § 826; EG-FGV § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1; Fahrzeugemissionen-VO Art. 5 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Bamberg (Urteil vom 03.08.2022; Aktenzeichen 12 O 415/21) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Bamberg vom 03.08.2022, Az. 12 O 415/21, gemäß S 522 Abs. 2 ZPO einstimmig zurückzuweisen und den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 18.640,38 EUR festzusetzen.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis einschließlich 25.08.2023.
Gründe
Hinsichtlich des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird gem. S. 540 ZPO auf die Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil Bezug genommen. Lediglich ergänzend bzw. erläuternd ist auszuführen:
a) Die Klagepartei nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen für die Abgasreinigung in Anspruch.
Die Klagepartei erwarb am 22.05.2017 bei einem nicht am Rechtsstreit beteiligten Dritten einen erstmals im Jahr 2012 zugelassenen Wagen der Marke Audi A4 Avant (Hubraum 2.967 ccm, 180 kW, EU 5) mit einem Kilometerstand von 11 1.900 km zu einem Preis von 24.980,00 EUR. Am 12.06.2022 betrug der Kilometerstand 210.395 km; nach den Angaben des Klägers in der Berufungsbegründung hat sich bis zu diesem Zeitpunkt (23.09.2022) der km-Stand nicht geändert (S. 134 Berufungsbegründung).
Das Fahrzeug verfügt über keinen SCR-Katalysator. Es ist nicht von einem verpflichtenden Rückruf des KBA betroffen.
b) Die Klagepartei hat erstinstanzlich vorgetragen, das streitgegenständliche Fahrzeug verfüge einen Motor des Typs EA 897 sowie über unzulässige Abschalteinrichtungen, insbesondere eine Akustikfunktion, die Strategien A-F, ein Thermofenster, Hard-Cycle-Beating sowie ein manipuliertes OBD-System, und hat deliktische Ansprüche geltend gemacht.
Die Klagepartei hat erstinstanzlich beantragt,
(1.) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei Euro 20.210,56 nebst Zinsen aus Euro 20.210,56 hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 31.03,2021 zu bezahlen, Zug-um-Zug gegen die Übereignung und Herausgabe des PKW Typs Audi A4, FIN: ...
(2.) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei Euro 3.589,92 Deliktszinsen zu bezahlen, Zug-um-Zug gegen die Übereignung und Herausgabe des PKW Typs Audi A4, FIN: ...
(3.) Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des in Antrag (1 genannten Fahrzeugs seit dem 31.03.2021 in Verzug befindet.
(4.) Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei von den Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von Euro 1 .491 vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten freizustellen.
c) Die Beklagte hat in erster Instanz beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf die Klage entgegnet, das Fahrzeug enthalte einen Motor des Typs EA 896 Gen. 2 3,0 1 Monoturbo und keine unzulässigen Abschalteinrichtungen. Daher stünden der Klagepartei keinerlei Ansprüche zu.
2. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Seine Entscheidung hat es im Wesentlichen wie folgt begründet:
Ein Anspruch nach S. 826 BGB sei nicht gegeben. Die Behauptung des Klägers zum Einbau unzulässiger Abschalteinrichtunge...