Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmung der Bewährungszeit bei Verlängerung nach Ablauf der früheren Bewährung
Leitsatz (amtlich)
Der Beginn einer nach § 56 f II 1 Nr. 2 StGB verlängerten Bewährungszeit schließt sich auch dann unmittelbar an das Ende der zunächst bestimmten Bewährungszeit an, wenn diese im Zeitpunkt der Verlängerung bereits abgelaufen war (Aufgabe der bisherigen Rspr. des Senats, vgl. OLG Bamberg, Beschluss v. 17.05.2006 - 1 Ws 259/06 = NStZ-RR 2006, 326 f.).
Normenkette
StGB § 56f Abs. 2 S. 1 Nr. 2
Tatbestand
Das AG verhängte gegen den Verurteilten am 13.12.2004 eine Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Monaten. Mit Beschluss vom 20.06.2005 setzte die StVK den Rest dieser Freiheitsstrafe sowie die Strafreste aus zwei weiteren Urteilen nach Verbüßung von 2/3 zur Bewährung aus und setzte die Bewährungszeit auf 3 Jahre fest. Nachdem der Verurteilte innerhalb der Bewährungszeit erneut straffällig geworden war, verlängerte die StVK am 02.10.2008 die Bewährungszeit um 1 Jahr auf nunmehr 4 Jahre. Mit Beschluss vom 10.07.2009 erließ die StVK den Strafrest aus dem Urteil des AG vom 13.12.2004. Die gegen diesen Straferlass gerichtete sofortige Beschwerde der StA blieb ohne Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die statthafte (§ 453 Abs. 2 Satz 3 StPO) und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde der StA hat in der Sache keinen Erfolg. Die StVK hat den Strafrest aus dem Urteil vom 13.12.2004 zurecht erlassen, weil die verlängerte Bewährungszeit bereits am 23.06.2009 abgelaufen war (§ 56 g Abs. 1 Satz 1 StGB). Der Senat hält seine abweichende Rechtsauffassung (vgl. Beschluss vom 17.05.2006 - 1 Ws 259/06 = NStZ-RR 2006, 326 f.) nicht länger aufrecht, sondern schließt sich der ganz h.M. in Lit. und Rspr. an, wonach der Beginn einer nach § 56 f Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StGB verlängerten Bewährungszeit sich auch dann unmittelbar an das Ende der zunächst bestimmten Bewährungszeit anschließt, wenn diese zum Zeitpunkt der Verlängerungsentscheidung bereits abgelaufen war (vgl. KG, Beschluss vom 12.05.2009 - 2 Ws 176/09; OLG Frankfurt NStZ-RR 2008, 221; OLG Jena NStZ-RR 2007, 220; OLG Köln StV 2008, 262; OLG Düsseldorf OLGSt StGB § 56 f Nr. 45; OLG Brandenburg StraFo 2004, 214; OLG Hamburg OLGSt § 56 f Nr. 4; OLG Rostock, Beschluss vom 05.10.2004 - I Ws 430/04; OLG Zweibrücken NStZ 1993, 510; OLG Celle NStZ 1991, 206; Fischer StGB 56. Aufl. § 56 f Rn. 17c; Lackner/Kühl StGB 26. Aufl. § 56 f Rn. 12; MüKo-Groß StGB § 56 f Rn. 22; SK-Horn § 56 f Rn. 30e; LK-Hubrach StGB 12. Aufl., § 56 f Nr. 42). Diese Auffassung begegnet keinen verfassungsrechtlichen Einwänden, sondern hält sich im Rahmen der den Fachgerichten zugewiesenen Aufgabe zur Auslegung des einfachen Rechts (BVerfG NStZ 1995, 437). Die im Senatsbeschluss vom 17.05.2006 vertretene Ansicht, dass die nach Ablauf der Bewährungszeit angeordnete Verlängerung der Bewährung erst ab dem Zeitpunkt des Verlängerungsbeschlusses gilt, wird nur noch von Stree (vgl. Schönke/Schröder StGB 27. Aufl. § 56 f Rn. 10) geteilt, weil nur dann eine "echte", ggf. "widerrufsbegründende" Bewährungszeit entstehe, durch die sinnvoll auf den Verurteilten eingewirkt werden könne. Demgegenüber stellt die ganz h.M. auf den Wortlaut des § 56 f II 1 Nr. 2 StGB ( "verlängern" ) ab. Durchgreifend jedenfalls erscheint dem Senat die Argumentation der h.M., wonach ein Beginn der verlängerten Bewährungszeit erst ex nunc zu einer zeitlichen Ausdehnung des Bewährungsverfahrens führen könne, die nicht mehr hinnehmbar ist. Der Gesichtspunkt, dass so vermieden wird, dass ein Verurteilter auch lange Zeit nach Rechtskraft der Entscheidung über die Strafaussetzung einer zwischenzeitlich - unter Umständen mehrfach - unterbrochenen Bewährungsaufsicht unterliegt, überzeugt den Senat und veranlasst ihn zur Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung und zum Anschluss an die h.M., wonach der Beginn der verlängerten Bewährungszeit sich auch dann unmittelbar an das Ende der zunächst bestimmten Bewährungszeit anschließt, wenn diese zum Zeitpunkt der Verlängerungsentscheidung bereits abgelaufen war.
Fundstellen
Haufe-Index 2567991 |
ZAP 2010, 365 |
NStZ-RR 2010, 60 |
OLGSt 2010 |
StRR 2009, 403 |