Normenkette
ZPO § 233 a.F.
Verfahrensgang
LG Schweinfurt (Urteil vom 15.05.2001; Aktenzeichen 22 O 689/00) |
Tenor
I. Der Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung gegen das Teilurteil des LG Schweinfurt vom 15.5.2001 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Wiedereinsetzungsverfahrens zu tragen.
Gründe
I. Die Klägerin hat gegen das Teilurteil des LG form- und fristgerecht Berufung eingelegt, diese aber nicht innerhalb der Begründungsfrist (§§ 519 Abs. 2 S. 2, 222 Abs. 2 ZPO) begründet. Der Senat hat das Rechtsmittel deshalb gem. § 519b ZPO als unzulässig verworfen. Die Klägerin, deren Prozessbevollmächtigten der Beschluss am 27.7.2001 zugestellt worden ist, hat mit Schriftsatz vom 3.8.2001, eingegangen am selben Tag, die Berufung begründet und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Zum Wiedereinsetzungsgesuch trägt sie im Wesentlichen vor:
In der Kanzlei ihrer Prozessbevollmächtigten seien auf Anweisung des sachbearbeitenden Rechtsanwalts P. im Fristenbuch und in der Handakte der 15.7.2001 als Tag des Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist sowie der 9.7., 10.7., 11.7., 12.7. und 13.7.2001 als Fristen zur Fertigung der Berufungsbegründung notiert worden. In der Folgezeit sei wegen des Umfangs der Handakte für das Berufungsverfahren eine weitere Akte mit einer eigenen Prozessregisternummer angelegt worden. In ihr seien wiederum der 15.7.2001 als Tag des Fristablaufs und fünf Vorfristen eingetragen worden. Die geschulte und zuverlässige Kanzleivorsteherin M., die die Fristenkontrolle seit vielen Jahren sorgfältig und fehlerfrei ausübe und als einzige der Mitarbeiterinnen der Kanzlei zur Streichung von Fristen befugt sei, habe dann die im ersten Handaktenband notierten Fristen gestrichen, nicht aber die im Fristenbuch eingetragenen. Bei der Fristenkontrolle habe die Kanzleiangestellte K. mangels eines Vermerks der Prozessregisternummer der neu angelegten Handakte im Fristenbuch jeweils nur den ersten Handaktenband herausgesucht und sei aufgrund der Streichung der dort verzeichneten Fristen davon ausgegangen, dass die Berufungsbegründung bereits gefertigt und eingereicht worden sei; deshalb habe sie der Kanzleivorsteherin weder den ersten Handaktenband noch den neu angelegten zweiten Band – von dem sie keine Kenntnis gehabt habe – vorgelegt. Die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist sei mit der Zustellung des Senatsbeschlusses bemerkt worden.
Die Kanzleivorsteherin M. und K. haben dieses Vorbringen in eidesstattlichen Versicherungen vom 1.8.2001 bestätigt.
Der Beklagte hält den Wiedereinsetzungsantrag für unbegründet.
Das form- und fristgerecht (§§ 234 Abs. 1 und Abs. 2, 236 ZPO) gestellte Wiedereinsetzungsgesuch hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Nach § 233 ZPO setzt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand voraus, dass die Partei ohne ihr Verschulden gehindert war, die versäumte Frist einzuhalten. Dabei steht ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten dem Verschulden der Partei gleich (§ 85 Abs. 2 ZPO). Vorliegend ist ein Anwaltsverschulden nicht ausgeräumt.
Der Prozessbevollmächtigte einer Partei hat dafür zu sorgen, dass ein fristgebundener Schriftsatz hergestellt und rechtzeitig beim zuständigen Gericht eingereicht wird. Zwar kann er die Führung des Fristenkalenders und die Fristenkontrolle einem gut ausgebildeten und sorgfältig überwachten Büropersonal überlassen; er muss dann aber durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherstellen, dass Fristversäumnisse möglichst vermieden werden (BGH v. 8.2.1996 – IX ZB 95/95, MDR 1996, 530 = NJW 1996, 1349 [1350]; v. 15.4.1999 – V ZB 7/99; v. 9.9.1997 – IX ZB 80/97, MDR 1997, 1149). Vorliegend sind aber zwei anwaltliche Organisationsmängel für die Fristversäumung zumindest mitursächlich.
a) Nach dem Vortrag der Klägerin ist die Handakte ihren Prozessbevollmächtigten nicht zu den im Fristenkalender notierten Fristen vorgelegt worden, weil versäumt worden war, die Prozessregisternummer des nach den Eintragungen im Fristenkalender neu angelegten zweiten Handaktenbandes im Fristenkalender zu vermerken, mit der Folge, dass die Mitarbeiterin K. zu den Fristen nur den ersten Handaktenband heraussuchte, wo die Fristen gestrichen waren.
Dass die für die Führung des Fristenkalenders zuständige, zuverlässige, erfahrene und regelmäßig überwachte Kanzleivorsteherin M. versehentlich die neue Prozessregisternummer nicht im Fristenkalender eingetragen hat, ist nicht von den Prozessbevollmächtigten der Klägerin und somit nicht von dieser selbst zu vertreten (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 22. Aufl., § 233 Rz. 23, Stichwort „Büropersonal und -organisation”). Es stellt aber einen Organisationsmangel dar, dass es ersichtlich an der allgemeinen Anweisung der Prozessbevollmächtigten an ihre Mitarbeiter fehlt, alle Bände einer Handakte mit derselben Prozessregisternummer zu versehen. Diese Maßnahme wäre unbedingt erforderlich gewesen, weil – wie...