Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen für eine Härtefallscheidung im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung wegen eines Sexualdelikts zulasten eines gemeinsamen Kindes
Leitsatz (amtlich)
1. Die strafrechtliche Verurteilung des Antragsgegners aufgrund der sexuellen Belästigungen der gemeinsamen Tochter stellt erkennbar eine objektive unbillige Härte dar, bei der ein besonnener Ehegatte wohlüberlegt nicht mehr an der Ehe festhalten würde. Das Abwarten des Trennungsjahres ist - wegen der strafrechtlichen Verurteilung zulasten der gemeinsamen Tochter - damit bloßer Formalismus und daher nicht geschuldet.
2. Unbeachtlich ist, dass die Verurteilung aus einem Verhalten gegen die Tochter und nicht gegen die Ehefrau resultiert, denn auch eine Zuordnung nach Sphären ist möglich. Belastet ein Verhalten des Antragsgegners unmittelbar einen Angehörigen der Antragstellerin, so kann hierin auch eine unbillige Härte liegen.
3. Es kommt nicht darauf an, ob das Geschehen sich tatsächlich zugetragen hat. Allein die rechtskräftige Verurteilung ist ausreichend, um aus objektiver Sicht den Ehepartner nicht am Trennungsjahr festzuhalten.
Normenkette
BGB §§ 1564, 1565 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Würzburg (Aktenzeichen 5 F 1153/21) |
Tenor
Der Antrag des Antragsgegners vom 03.03.2022 auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Verfahren der Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Würzburg vom 10.02.2022 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Beteiligten haben am ... vor dem Standesamt in A. (Syrien) unter der Heiratsregisternummer ... die Ehe miteinander geschlossen. Es handelt sich um die zweite gemeinsame Eheschließung der Beteiligten. Aus der Beziehung der Beteiligten sind die gemeinsamen Töchter K1, geb. am ... und K2, geb. am ... sowie der Sohn K3, geb. am ..., hervorgegangen.
Die Beteiligten leben seit ... getrennt. Zu diesem Zeitpunkt ist die Antragstellerin mit den drei gemeinsamen Kindern aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen und hat sich in ein Frauenhaus begeben. Der Scheidungsantrag wurde dem Antragsgegner am ... zugestellt. Die Antragstellerin lebt mit den gemeinsamen Kindern in S. Der Antragsgegner lebt in W.
Die Antragstellerin beantragt die Scheidung nach §§ 1564, 1565 Abs. 2 BGB (Härtefallscheidung) mit der Begründung, die Fortsetzung der Ehe sei für sie nicht mehr zumutbar, da sich der Antragsgegner an der 15-jährigen gemeinsamen Tochter K1 des sexuellen Missbrauches schuldig gemacht habe.
Der Antragsgegner ist dem Antrag entgegengetreten und hat ausgeführt, dass die vorgetragenen Gründe eine Härtefallscheidung nicht rechtfertigen würden. Die Antragstellerin sei selbst vom angeblichen Fehlverhalten des Antragsgegners nicht direkt betroffen. Auch scheine es so, dass die Tochter auf den Vater sauer sei, da er ihr einen Kontakt zu einem gleichaltrigen Jungen verboten habe.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht am ... wurden die Antragstellerin und der Antragsgegner persönlich angehört. Die Antragstellerin hat ihre Anhörung an Eides statt versichert. Bezüglich der Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom ... (Bl. 31 d. A.) verwiesen.
Mit Beschluss vom ... hat das Amtsgericht folgende Entscheidung getroffen:
1. Die am ... vor dem Standesamt A., Syrien (Heiratsregister Nr. ...) geschlossene Ehe der beteiligten Ehegatten wird geschieden.
2. Ein Versorgungsausgleich findet nicht statt.
3. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass es davon überzeugt sei, dass die Ehe der Ehegatten endgültig gescheitert sei. Keiner der Beteiligten habe angegeben, dass eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft für sie überhaupt nur denkbar wäre. Die Fortsetzung der Ehe aber würde für die Antragstellerin eine unzumutbare Härte darstellen, da der Antragsgegner die Ehe durch eine schwere Eheverfehlung unheilbar zerrüttet habe. Es stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Antragsgegner sich der gemeinsamen Tochter K1 gegenüber unsittlich verhalten habe, indem dieser sie jedenfalls in drei Fällen sexuell belästigte. Hinsichtlich der Einzelheiten werde auf die Ermittlungsakte der StA W., Az. ... Bezug genommen. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft habe der Antragsgegner nicht widerlegen können. Die Verhaltensweisen des Antragsgegners würden auch eine gewichtige Verfehlung gegen die eheliche Gemeinschaft darstellen und wirkte sich auch auf die Antragstellerin aus, da das gemeinsame Kind betroffen sei. Bei den vorliegenden Verfehlungen lasse sich eine Aufrechterhaltung der ehelichen Gemeinschaft bis zum Ablauf des Trennungsjahres bei entgegenstehenden Willen der Antragstellerin nicht rechtfertigen.
Dieser Beschluss wurde dem Antragsgegner am ... zugestellt.
Mit Schreiben vom ... beantragte der Antragsgegner, ihm zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen.
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass beabsichtigt sei, Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts W...