Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen für die Anwendung der Härteklausel bei Verlust der Versorgungsbezüge durch eine Straftat
Leitsatz (amtlich)
1. Eine bewusste und in Schädigungsabsicht vorgenommene Verkürzung der erworbenen und im Versorgungsausgleich auszugleichenden Anrechte durch einen Ehegatten zum Nachteil des anderen Ehegatten kann eine grobe Unbilligkeit im Sinn des § 27 VersAusglG darstellen.
2. Der Umstand, dass mit der Begehung einer Straftat eine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis und den Verlust der Versorgungsbezüge zumindest in Kauf genommen wurde, reicht hierfür nicht aus.
3. Die Nichtzahlung von Trennungsunterhalt aufgrund Inhaftierung begründet grundsätzlich keine grobe Unbilligkeit i.S.d. § 27 VersAusglG.
Normenkette
VersAusglG § 27
Verfahrensgang
AG Bad Neustadt a.d. Saale (Aktenzeichen 002 F 153/19) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners vom 15.03.2022 und die Anschlussbeschwerde der Antragstellerin vom 04.05.2022 hin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bad Neustadt a. d. Saale vom 21.02.2022 in Tenor Ziffer 2 Absatz 2 und 3 aufgehoben und wie folgt neu gefasst:
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern (Vers. Nr. ...) zugunsten der Antragstellerin ein Anrecht in Höhe von 9,1619 Entgeltpunkten auf das vorhandene Konto ... bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, bezogen auf den 30.04.2019, übertragen.
Im Übrigen findet ein Versorgungsausgleich nicht statt.
2. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
3. Der Beschwerdewert wird auf 4.016,70 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die am ... geborene Antragstellerin und der am ... geborene Antragsgegner haben am ... die Ehe geschlossen. Der Scheidungsantrag der Antragstellerin wurde dem Antragsgegner am 10.05.2019 zugestellt.
Das Amtsgericht - Familiengericht - Bad Neustadt a. d. Saale hat mit Endbeschluss vom 21.02.2022 die Ehe der beteiligten Ehegatten geschieden und dabei den Versorgungsausgleich durchgeführt.
1. In Bezug auf die Anrechte des Antragsgegners wurde im Tenor Ziffer 2 Abs. 2 der Versorgungsausgleich wie folgt geregelt:
Im Wege der externen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragsgegners beim Landesamt für Finanzen (Vers. Nr. ...) zugunsten der Antragstellerin ein Anrecht in Höhe von 717,99 EUR monatlich auf dem vorhandenen Konto ... bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, bezogen auf den 30.04.2019, begründet. Der Ausgleichswert ist in Entgeltpunkte umzurechnen.
2. In Bezug auf die Anrechte der Antragstellerin wurde der Versorgungsausgleich im Tenor Ziffer 2 Absatz 1 bzw. Absatz 3 wie folgt geregelt:
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (Vers. Nr. ...) zugunsten des Antragsgegners ein Anrecht in Höhe von 11,7947 Entgeltpunkten auf das vorhandene Konto ... bei der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern, bezogen auf den 30.04.2019, übertragen.
Ein Ausgleich des Anrechts der Antragstellerin bei der B. Lebensversicherung AG (Vers. Nr. ...) findet nicht statt.
3. Gegen den ihm am 23.02.2022 zugestellten Beschluss legte der Antragsgegner mit Schreiben vom 15.03.2022, eingegangen beim Amtsgericht-Familiengericht-Bad Neustadt a. d. Saale am 17.03.2022, Beschwerde ein.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Entscheidung über die Anrechte des Antragsgegners beim Landesamt für Finanzen unzutreffend sei, da sich inzwischen Änderungen ergeben hätten. Der Antragsgegner sei wegen einer Straftat zu einer Haftstrafe bis 2025 verurteilt worden. Aufgrund dieser Haftstrafe sei er aus dem Beamtenverhältnis entlassen worden und habe seine Pensionsansprüche verloren. Die Umstände seien bei der Auskunftserteilung durch das Landesamt für Finanzen für den Versorgungsausgleich noch nicht eingetreten gewesen und hätten demzufolge nicht berücksichtigt werden können. Der Antragsgegner habe seine gesamten Anwartschaften verloren, somit auch die Teile, die vor dem Ende der Ehe liegen würden. Es sei eine neue Rechnung zu erstellen.
Das Landesamt für Finanzen teilte mit Schreiben vom 04.04.2022 mit, dass der Antragsgegner wegen der Verurteilung zu einer mehrjährigen Haftstrafe zum ...2022 kraft Gesetzes aus dem Beamtenverhältnis entlassen worden sei und dadurch seine Anwartschaft auf Versorgung nach dem Beamtenversorgungsgesetz verloren habe. Die Voraussetzungen für die Nachversicherung in der Deutschen Rentenversicherung seien erfüllt.
Mit Schreiben vom 13.04.2022 teilte die Deutsche Rentenversicherung Nordbayern mit, dass der Antragsgegner unter Vers. Nr. ... in der allgemeinen Rentenversicherung einen Ehezeitanteil von 18,3238 Entgeltpunkten erworben habe. Hieraus ergebe sich ein Ausgleichswert von 9,1619 Entgeltpunkten mit einem korrespondierenden Kapitalwert von 66.291,42 EUR und einer Monatsrente i.H.v. 293,46 Euro.
4. Die Antragstellerin legte mit Schreiben vom 0...