Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorliegen eines triftigen Grundes zur Abänderung einer Umgangsvereinbarung u.a.
Leitsatz (amtlich)
1. Führt der Wohnortwechsel der umgangsberechtigten Kindsmutter, die über kein eigenes Auto verfügt, dazu, dass eine Umgangsvereinbarung nur noch mit einigen Schwierigkeiten umzusetzen ist, birgt dies wiederum die Gefahr, dass die - von Kind ausdrücklich gewünschten - persönlichen Kontakte zwischen Mutter und Kind nicht mehr regelmäßig stattfinden können. Die eingetretene Veränderung stellt damit einen triftigen Grund i.S.d. § 1696 Abs. 1 BGB dar, der aus Gründen des Kindeswohls auch unter Berücksichtigung des Interesses an Kontinuität eine Änderung der bisherigen Regelung erfordert.
2. Führt eine getroffene Entscheidung im Ergebnis dazu, dass derjenige bei dem das Kind lebt, dieses zum Umgang bringen und von dort wieder abholen müsste, ohne dass eine große räumliche Distanz überwunden werden muss, kann diese Verpflichtung nicht auf § 1684 Abs. 2 BGB gestützt werden.
Normenkette
BGB § 1684 Abs. 2, § 1696 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Coburg (Aktenzeichen 003 F 435/22) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts Coburg vom 31.08.2022 in Ziffer 1 abgeändert wie folgt:
In Abänderung des im Verfahren AG Coburg 3 F 676/20 am 10.11.2020 abgeschlossenen Vergleichs hat die Antragstellerin das Recht und die Pflicht, Umgang mit dem gemeinsamen Kind B. zu pflegen an jedem zweiten Wochenende von Freitag um 17.00 Uhr bis Sonntag um 15.00 Uhr, erstmals am 23.09.2022.
2. Die Gerichtskosten des Verfahrens tragen die Antragstellerin und der Antragsgegner jeweils zur Hälfte. Seine außergerichtlichen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst.
3. Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragstellerin und der Antragsgegner sind die seit Februar 2018 getrennt lebenden Eltern des ehelich geborenen, inzwischen 14 Jahre 4 Monate alten Kindes B.
Seit September 2020 lebt B. im Haushalt ihres Vaters in X. (Landkreis Y). Über das Recht der Antragstellerin zum Umgang hatten sich die Eltern im Verfahren AG Coburg 3 F 676/20 am 10.11.2020 wie folgt geeinigt:
Die Antragstellerin hat das Recht und die Pflicht, Kindesumgang mit dem gemeinsamen Kind B., geboren am ..., jeweils zweiwöchentlich in der Zeit von Freitag 18.00 Uhr bis Sonntag 18.00 Uhr, erstmals ab 13.11.2020, auszuüben.
Die Antragstellerin verpflichtet sich, das Kind vom Antragsgegner abzuholen und zum Antragsgegner zurückzubringen.
Am 02.07.2020 verzog die Antragstellerin, die in C. arbeitet und über kein eigenes Kraftfahrzeug verfügt, nach D. (Landkreis Z). Die Entfernung zum Wohnort des Kindes beträgt rund 50 Kilometer.
Mit Schriftsatz vom 21.07.2022 beantragte die Antragstellerin die Abänderung des Vergleichs vom 10.11.2020 und brachte zur Begründung vor, sie habe B. bislang am Freitag nach der Rückkehr von der Arbeit in X. abgeholt und am Sonntag dorthin zurückgebracht. Aufgrund der nur kurzen Entfernung zu ihrer damaligen Wohnung in H. sei dies auch ohne Pkw möglich gewesen. Der inzwischen erfolgte Umzug stelle einen gewichtigen und triftigen Grund für eine Änderung der Umgangsvereinbarung dar und sei erforderlich gewesen, weil sie für den Weg zu ihrer Arbeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln täglich mehr als 3 Stunden benötigt habe und zudem Fahrtkosten von 377,13 EUR pro Monat angefallen seien. Mangels Pkw könne sie B. nunmehr weder am Freitag holen, noch am Sonntag zurückbringen. Ihrer Meinung nach könne B. auf der Strecke zwischen X. und Z. (und zurück) Busse und Züge nutzen. Am Freitag könne sie ihre Tochter am Bahnhof in Z. abholen und am Sonntag zum Bahnhof in Z. zurückbringen. Sie habe die Sache mit dem Kind besprochen. B. habe erklärt, die Fahrt mit dem Zug sei kein Problem, wenn sie nicht oft umsteigen und ewig auf Anschlüsse warten müsse. Zudem müsse eine Ferienregelung für das Jahr 2022 getroffen werden. B. wünsche sich Ferienumgang in dem von ihr beantragten Umfang.
Die Umgangsvereinbarung vom 10.11.2020 solle deswegen dahingehend abgeändert werden, dass B. am Freitag den Weg zwischen ihrem Wohnort zum Bahnhof in Z. und am Sonntag den Weg vom Bahnhof in Z. zurück zum Wohnort selbstständig mit Bus und Bahn zurücklegt. Umgang solle zudem auch stattfinden in den bayerischen Ferien in den Zeiträumen 14.08.2022 bis 28.08.2022, 04.09.2022 bis 11.09.2022 und zudem von 30.10.2022 bis 06.11.2022.
Der Antragsgegner beantragte die kostenpflichtige Zurückweisung des Antrags mit der Begründung, die Voraussetzungen des § 1696 BGB würden nicht vorliegen. Dass die begehrte Regelung für die Antragstellerin bequemer ist, sei kein triftiger Grund im Sinne der genannten Vorschrift. Grundsätzlich sei das Abholen und Bringen des Kindes Sache des zum Umgang berechtigten Elternteils. Nur ausnahmsweise könne es für diesen unzumutbar sein, den Transport ganz oder teilweise allein zu bewältigen. Vorliegend sei darauf hinzuweisen, dass nicht er, sondern die Antragstellerin durch einen Umzug die räumliche ...