Entscheidungsstichwort (Thema)
VW-Diesel-Abgasverfahren: Klageerhebung nach Ablauf der Verjährungsfrist - Anwendungsbereich des § 852 BGB
Leitsatz (amtlich)
Jedenfalls für die typische Konstellation eines sog. Dieselabgasfalls ist der Anwendungsbereich des § 852 BGB von vornherein nicht eröffnet: Denn der Schutzzweck der Vorschrift ist offenkundig nicht darauf zugeschnitten, dass der auf Schadensersatz klagende Pkw-Käufer ein nach dem Maßstab der Vertragsäquivalenz an sich voll funktionstüchtiges Fahrzeug erworben hat, für dessen Nutzung er sich daher im Rahmen der Schadensbemessung eine der Fahrleistung entsprechende Gebrauchsentschädigung anrechnen zu lassen hat mit der Folge, dass das vom Käufer geschuldete Nutzungsentgelt den ursprünglich in Höhe des Kaufpreises bestehenden Erstattungsanspruch sogar vollständig aufzehren kann (Anschluss an und Fortführung von OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.05.2021 - 5 U 57/20 -, dort Rn. 56).
Normenkette
BGB §§ 826, 852
Verfahrensgang
LG Bayreuth (Urteil vom 01.03.2021; Aktenzeichen 41 O 576/20) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Bayreuth vom 01.03.2021 abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger hatte im März 2012 von einem Autohaus einen Diesel-Gebrauchtwagen S. (Zulassungsdatum 12.08.2011 und bei einem Kilometerstand von 23.500 km) mit einem von der beklagten Herstellerin entwickelten Motor EA 189 zum Preis von 14.990,00 Euro erworben.
Seiner in der Hauptsache auf Rückerstattung des Kaufpreises abzüglich einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Nutzungsentschädigung - Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs - gerichteten Klage vom August 2020 ist die Beklagte - soweit noch von Interesse - mit der Verjährungseinrede entgegengetreten.
Das Landgericht hat dem Zahlungsantrag in Höhe von 2.641,55 Euro samt Prozesszinsen im Rahmen der beantragten Zug-um-Zug-Leistung stattgegeben: Zwar sei die eingeklagte Schadensersatzforderung bereits mit Ablauf des Jahres 2018 verjährt; zugunsten der Klägerseite greife aber selbst bei einem Gebrauchtwagenkauf wie hier der subsidiäre Herausgabeanspruch aus § 852 BGB durch.
Im übrigen wird auf den Tatbestand und die Gründe des Ersturteils Bezug genommen.
Dagegen richtet sich die auf die Verjährungseinrede gestützte Berufung der Beklagten, die die vollständige Abweisung der Klage anstrebt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt den beigefügten Urkunden und sonstigen Anlagen Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung hat Erfolg und führt zur Abweisung der Klage insgesamt, weil die geltend gemachte Hauptforderung, wovon inzwischen auch die Klägerseite ausgeht, bei Erhebung der Klage im August 2020 längst verjährt war und entgegen der Ansicht des Landgerichts dem Kläger auch kein subsidiärer Anspruch aus § 852 BGB zusteht.
1. Wie der Erstrichter schon im rechtlichen Ausgangspunkt verkennt, wird der typische und auch hier vorliegende Sachverhalt eines sog. Dieselabgasfalls bereits nicht vom Anwendungsbereich des § 852 BGB umfasst.
a) Nach der Vorschrift des § 852 S. 1 BGB soll ein deliktischer Schädiger, der durch die gegen fremdes Vermögen gerichtete Tathandlung sein eigenes Vermögen vermehrt hat, auch nach Verjährungseintritt nicht im Genuss des unrechtmäßig erlangten Vorteils bleiben (BGHZ 71, 86, 99 = NJW 1978, 1377).
Wie die Reformdiskussion um die ersatzlose Streichung des § 852 III BGB a.F. bestätigt hat, ist diese Ausnahmebestimmung auf besondere Fallgruppen zugeschnitten, in denen dem Geschädigten schon wegen der extremen Eingriffstiefe oder /und des Umfangs oder der Art und Weise der deliktischen Vermögensverschiebung nicht zuzumuten ist, das Fortbestehen der auf der Täterseite eingetretenen Bereicherung nur deshalb hinzunehmen, weil die allgemeine Verjährungsfrist schon abgelaufen ist oder ihr Ablauf bevorsteht. Im Vordergrund stehen also die außergewöhnlichen Schwierigkeiten bei der Nachverfolgung einer Beute aus schweren Straftaten wie Lösegelderpressungen (wie etwa im exemplarischen Entführungsfall "0etker" mit dem "Auftauchen" eines Teils der Millionenbeute in England nach der Haftentlassung des Täters), Raubdelikten oder (Groß-)Einbrüchen; in zweiter Linie soll - im Anschluss an BGHZ a.a.O. - die oft schon aus Rechtsgründen aufwendige Abschöpfung von ergaunerten Vermögensvorteilen aus Patent- und anderen Schutzrechtsverletzungen (vgl. etwa Staudinger-Vieweg, 2014, Rn. 5 zu § 852 BGB unter Hinweis auf BT-Drucks. 14/6040, 270) erleichtert werden.
b) Ein solcher Normzweck passt offenkundig nicht auf den typischen und auch hier vorliegenden Sachverhalt eines sog. Dieselabgasfalls: nämlich, dass der Käufer ein nach dem Maßstab der Vertragsäquivalenz an sich voll funktionstüchtiges Fahrzeug erworben hat, für dessen Nutzung e...