Leitsatz (amtlich)

Die isolierte Verwendung der Lebensrune bzw. der Todesrune auf einer Todesanzeige bzw. auf Sterbebildern erfüllt nicht den Tatbestand des § 86 a StGB, selbst wenn eine wertwidrige Intention des Verwenders zugrunde liegt, solange nicht Umstände hinzutreten, durch die ein Bezug zu einer verfassungswidrigen Organisation im Sinne des § 86 I StGB hergestellt wird.

 

Tatbestand

Der Angekl. gab zu Jahresbeginn 2006 über ein Beerdigungsinstitut eine Todesanzeige in Auftrag, welche anschließend in der Lokalzeitung veröffentlicht und bei der das Geburtsdatum mit einer so genannten Lebensrune und der Sterbetag mit einer so genannten Todesrune gekennzeichnet waren. Beide Zeichen ließ der Angekl. auch auf 70 Sterbebildern und Briefen drucken, die er an Verwandte und Bekannte versandte. Vor diesem Hintergrund lag dem Angekl. zur Last, die Aufträge in dem Bewusstsein vergeben zu haben, dass es sich bei der Lebensrune um ein Kennzeichen einer ehemaligen national-sozialistischen Organisation, nämlich des Sanitätsdienstes der SA, gehandelt habe. Das AG hat den Angekl. nach vorangegangenem Strafbefehlsverfahren vom Tatvorwurf des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in zwei tateinheitlichen Fällen aus Rechtsgründen freigesprochen.

Die hiergegen gerichtete Sprungrevision der StA blieb ohne Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

Das AG hat eine Strafbarkeit nach § 86 a I Nr. 1, II StGB im Ergebnis zu Recht mit der Begründung verneint, dass die alleinige Verwendung der Lebens- bzw. Todesrune vom objektiven Straftatbestand nicht erfasst wird.

1.

Der von § 86 a I StGB verwendete Begriff des Kennzeichens ist in § 86 a II 1 StGB durch die nicht abschließende Aufzählung von Beispielen wie Fahnen, Abzeichen, Uniformteile, Parolen und Grußformen erläutert. Erfasst werden nur optische oder akustische Symbole der in § 86 I Nrn. 1, 2 und 4 StGB bezeichneten verfassungswidrigen Organisationen. Wesentlich ist dabei die Vermittlung eines gedanklich an das äußere Erscheinungsbild gekoppelten, über dessen unmittelbaren Informationsgehalt hinausgehenden Sinns (vgl. Stegbauer JR 2002, 182/184). Hinzukommen muss jeweils ein Organisationsbezug. Von § 86 a I Nr. 1 StGB erfasst werden folglich nur Symbole von verfassungswidrigen Organisationen, also sämtliche von der betreffenden Organisation selbst verwandte und ihr zuzurechnende Identifizierungszeichen. Von der Organisation nicht verwandte ungebräuchliche Darstellungen scheiden somit aus. Ohne Belang ist es aber, ob das Kennzeichen der Allgemeinheit bekannt ist (BGH NStZ 2003,31/32; Leipziger Kommentar - Laufhütte/Kuschel StGB 12. Aufl. 2006 § 86 a Rn. 9).

2.

Das AG legt zwar seiner Entscheidung zugrunde, dass die Lebensrune vom Sanitätskorps der SA als Unterorganisation der verbotenen Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (N.S.D.A.P.) sowie in den Uniform-Abzeichen der N.S.-Frauenschaft und des Deutschen Frauenwerks verwendet worden sei, sah sich aber mangels Kenntnis der Originalform nicht in der Lage, nähere Feststellungen zu einer konkreten Verwendung der Lebensrune in einem Originalabzeichen einer nationalsozialistischen Organisation, insbesondere zu dessen Ausgestaltung im Hinblick auf eine Verwechslungsfähigkeit im Sinne des § 86 a II 2 StGB zu treffen. Im Ergebnis zutreffend erkannte das AG, dass die Verwendung der Lebensrune nicht per se vom objektiven Tatbestand des § 86 a StGB erfasst wird. Vielmehr müssten sich weitere Anhaltspunkte ergeben, die für den unbefangenen Dritten geeignet sind, eine Verbindung zu einer verfassungswidrigen Organisation herzustellen.

3.

Wird ein Symbol - wie vorliegend die Lebensrune und in umgedrehter Form als so genannte "Todesrune" - ausschließlich isoliert verwendet, muss es in seinem auf die verbotene Vereinigung hinweisenden Symbolgehalt im Wesentlichen aus sich heraus verständlich sein (BGH NStZ 1999, 87). Dies ist davon abhängig, ob das Symbol spezifisch nationalsozialistisch war, ausschließlich von einer nationalsozialistischen Organisation verwandt wurde oder auch sonst verbreitet war oder ist (BGH NJW 2005, 3223/3224).

a)

Das Hakenkreuz ebenso wie die Sig-Rune in ihrer doppelten Verwendung durch die "Sturmstaffel (SS)", die als Symbole der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft schlechthin gelten (Kindhäuser/Neumann/Päffgen 2. Aufl. StGB § 86 a Rn. 8), stellen ohne weiteres, insbesondere auch ohne Einbettung in die Form eines originalgetreuen Abzeichens, Kennzeichen einer verfassungswidrigen (nationalsozialistischen) Organisation dar (OLG Brandenburg OLG-NL 2006, 69).

b)

Demgegenüber handelt es sich bei der Lebensrune um kein markantes Kennzeichen einer nationalsozialistischen Organisation; Runenzeichen wurden von den germanischen Völkern bereits im 2. Jahrhundert bis ins skandinavische Mittelalter als Schriftzeichen (u.a. auf Grabsteinen) verwendet (Meyers Lexikon online Stichwort "Runen"). In mitten eines Kreises mit nach unten gerichteten Armen ist diese Rune als Zeichen der Friedensbewegung bekannt. Da...

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